: Nordirlands Friedensprozeß praktisch gescheitert
■ Die IRA schließt einen neuen Waffenstillstand und die Abgabe ihrer Waffen aus – damit sind die für Juni geplanten Allparteiengespräche für Nordirland hinfällig
Dublin (taz) – Der nordirische Friedensprozeß ist praktisch am Ende. Die Irisch-Republikanische Armee (IRA) erklärte vorgestern in einem Interview, eine Ausmusterung ihrer Waffen komme nicht in Frage, solange der politische Konflikt nicht endgültig gelöst sei. „Bis dahin wird die IRA die nationalistischen Viertel unter keinen Umständen schutzlos lassen“, sagte ein IRA-Sprecher zu An Phoblacht, der Wochenzeitung des politischen IRA-Flügels Sinn Féin.
Damit hat die IRA die „Mitchell-Prinzipien“ abgelehnt. Der frühere US-Senator George Mitchell hatte Mitte Januar als Kompromiß vorgeschlagen, die von Sinn Féin geforderten Allparteiengespräche und die von der britischen Regierung geforderte Ausmusterung der IRA-Waffen als parallele Prozesse stattfinden zu lassen. Der britische Regierungschef John Major ignorierte diesen Vorschlag jedoch zunächst und entschied sich statt dessen für Wahlen in Nordirland, in denen die Parteien ihre „demokratische Legitimation“ nachweisen sollten. Die IRA reagierte auf diese abermalige Verzögerung der Gespräche mit der Aufhebung ihres 17 Monate währenden Waffenstillstands. Die durch die Londoner Bomben aufgeschreckten Regierungen in London und Dublin einigten sich daraufhin flugs auf den 10. Juni als Beginn für Allparteiengespräche, hielten jedoch an Vorbedingungen fest: Die IRA sollte nicht nur den Waffenstillstand erneuern, sondern auch der Herausgabe der Waffen mit Beginn der Gespräche zustimmen. Beides lehnte die IRA nun ab. „Wir sehen eine Notwendigkeit für den bewaffneten Kampf“, sagte der IRA- Sprecher, „da unter den derzeitigen politischen Bedingungen nicht die erforderliche Dynamik vorhanden ist, die uns weg vom Konflikt und hin zu einem dauerhaften Frieden führen könnte.“
„Der demokratische Prozeß wird weitergehen“, sagte der Staatssekretär im Nordirlandministerium, Michael Ancram. „Wir werden mit den Wahlen weitermachen und danach mit den Verhandlungen beginnen, an deren Ende eine umfassende Lösung stehen soll.“ Wie das ohne Sinn Féin und IRA gehen soll, verriet Ancram nicht. Ralf Sotscheck
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