Uganda leidet unter „Gottes Widerstandsarmee“

■ Christlich-fundamentalistische Rebellen überziehen das Land mit einem gnadenlosen Terror. Die Mordbrenner kommen angeblich aus dem Süden Sudans

Nairobi (taz) – Ein nationaler Tag der Trauer war gestern in Uganda angesetzt: Gedenken an die Opfer der jüngsten Terroranschläge im Norden des Landes.

Seit Wochen häufen sich die Schreckensmeldungen aus der Umgebung der 350 Kilometer nördlich von Kampala gelegenen Stadt Gulu. Hunderte von Zivilisten, aber auch zahlreiche Soldaten sind bei Überfällen und Angriffen christlich-fundamentalistischer Rebellen der Lord Resistance Army (LRA), etwa „Gottes Widerstandsarmee“ ums Leben gekommen.

24 Passagiere eines Kleinbusses starben am Donnerstag in einem LRA-Hinterhalt in der Nähe der Karuma-Wasserfälle – nur zwei Kilometer von der Stelle entfernt, wo vor einer Woche Augenzeugenberichten zufolge 130 Insassen eines von Soldaten begleiteten Konvois ermordet worden waren.

Am Mittwoch verübten Rebellen einen Überfall auf das nur drei Kilometer von Gulu entfernt gelegene Krankenhaus von Lacor. Regierungssoldaten, die die Klinik bewachen sollten, flohen in Panik. Buchstabengetreu nach den Zehn Geboten

In Gulu machen jetzt Gerüchte die Runde, denen zufolge die Rebellen versuchen wollen, ins Stadtzentrum vorzurücken. Die LRA, die ihren Guerillakrieg gegen die Regierung von Präsident Yoweri Museveni ausschließlich im Norden Ugandas führt, will eigenen Angaben zufolge das Land buchstabengetreu entsprechend den Zehn Geboten der Bibel regieren.

In der Bevölkerung findet sie nach Ansicht von Beobachtern dafür jedoch kaum Unterstützung. Die meisten Einwohner der Region leben in ständiger Furcht vor den Rebellen: Erst in der letzten Woche wurden 15 Bewohner eines kleinen Dorfes massakriert, darunter sieben Frauen und drei Kinder. Systematisch werden außerdem seit Jahren Zivilisten, vor allem Jugendliche, verschleppt und zwangsrekrutiert.

Die ugandische Regierung, die jetzt ihre Truppen im Norden verstärkt hat, wirft dem Sudan militärische und logistische Unterstützung der LRA vor. Khartum bestreitet den Vorwurf und beschuldigt im Gegenzug Kampala, der südsudanesischen Rebellenbewegung SPLA Hilfe zu gewähren. Beobachter halten die Anschuldigungen beider Seiten für begründet.

Nach Angaben des ugandischen Verteidigungsministeriums haben im letzten Monat 500 LRA-Rebellen mit ihrem Anführer Joseph Kony ihre Basis im Süden des Sudan verlassen und sind über die Grenze marschiert.

Für die Regierung bedeutet die neue Welle von Gewalttaten einen schweren Rückschlag: Noch im Oktober war von einer dauerhaften Befriedung der Region die Rede gewesen. Eine endgültige Niederlag der LRA schien damals in greifbare Nähe gerückt zu sein.

Der erste Urnengang in Uganda seit 16 Jahren

Beobachter halten es für wahrscheinlich, daß die Rebellen ihre Aktivitäten verstärkt haben, um die bevorstehenden Wahlen in Uganda zu stören. Entsprechend der Verfassung muß bis zum 7. Juli eine neue Regierung im Amt sein. Der Urnengang wird der erste in Uganda seit 1980 sein und außerdem der erste Popularitätstest, dem sich Präsident Yoweri Museveni seit seiner Machtübernahme vor zehn Jahren unterzieht.

Parteien sind bei den Wahlen nicht zugelassen. Musevenis faktisch als Einheitspartei operierende Nationale Widerstandsbewegung NRM ist das einzige politische Bündnis, das in der im letzten Jahr verabschiedeten Verfassung verankert ist.

In der Praxis arbeiten Oppositionspolitiker allerdings auch weiterhin unter dem Schirm der traditionellen alten Parteien, die in Uganda ohnehin jeder kennt und politisch zuzuordnen weiß. So muß Paul Ssemogerere, Musevenis einziger Gegenkandidat bei den anstehenden Präsidentschaftswahlen, zwar nominell als Individuum ins Rennen gehen, ist aber gleichzeitig der Bewerber, auf den sich die verschiedenen oppositionellen Gruppierungen offiziell geeinigt haben.

Die zehnjährige Amtszeit Musevenis war von weitgehender Stabilität und wirtschaftlichem Wachstum in einem Land geprägt, das jahrzehntelang unter Bürgerkrieg und wechselnden Terrorregimen zu leiden hatte. Die Unfähigkeit der Regierung, mit der LRA fertig zu werden, aber dürfte den Präsidenten Stimmen kosten und auch bei den Parlamentswahlen zumindest einigen Oppositionspolitikern zugute kommen. Etwas haben die Rebellen bereits jetzt geschafft: Ihre Aktivitäten haben den Wahlkampf von den Titelseiten der Zeitungen Ugandas verdrängt. Bettina Gaus