: Asien-Europa-Gipfel
■ betr.: „Innovation als Wettbe werb“, taz vom 28. 2. 96
Nach dem „Bündnis für Arbeit“ nun ein „Bündnis für Asien“? Sollte das Memorandum von Schrempp, Schröder und Mosdorf dabei zum Leitfaden werden, so dürfte letzteres das Schicksal von ersterem teilen – das einer hohlen Sprechblase.
Das Thema der drei ist zweifellos wichtig: Die Öffentlichkeit muß für die Entwicklung von knapp zwei Dritteln der Menschheit sensibilisiert werden, „Weltoffenheit, globales Verantwortungsbewußtsein und die Bereitschaft, von anderen, bisher ganz fremden Kulturen zu lernen“ müssen tatsächlich „Sache von jedermann“ (und -frau) werden. Schrempps, Schröders und Mosdorfs Prämissen wie auch ihre Schlußfolgerungen allerdings sind dafür weitgehend kontraproduktiv, wenn auch für einen Daimler-Boß, VW-Aufsichtsrat und SPD-Chefaußenwirtschaftler nicht verwunderlich.
Wer eine ungebrochene Wachstums-Apologetik, „Standort“-Logik verficht, der findet sich zwangsläufig im Krieg – unter „härtester Bedrängung“, als Opfer „asiatischer Konkurrenz“ im „Untergang auf Raten“ –, dessen Antworten auf die ausgemachte „asiatische Herausforderung“ bleiben aggressiv – Kampf um „Marktrepräsentanz“, „Verwertbarkeit von Organisationsmodellen“ ...
Wer in erster Linie Autos exportieren oder vor Ort bauen will, der verdrängt die eigentliche Herausforderung in unverbindliche Nebensätze – weil er sie durch sein Tun selbst verschärft: Die drohende ökologische Katastrophe und die verschärften sozialen Auseinandersetzungen, „wenn die Wirtschaftsentwicklung in Asien den gleichen, naturzerstörenden Weg wie der Westen verfolgen sollte“.
Der scheut sich auch nicht, in die den heutigen Realitäten auf unserem Kontinent zunehmend hohnsprechenden Phrasen vom „europäischen Gesellschaftsmodell der demokratischen Mitgestaltung des sozialen Ausgleichs und der ökologischen Verantwortung“ zu flüchten, bei dem zielt Nachdenken „über eine stärkere Beteiligung der Arbeitnehmer an transparenten Entscheidungsprozessen“ allein auf Produktivitätszuwächse statt auf Gesellschaftsstrukturen. Dessen „solidarische Begleitung“ Asiens kann nur aufs Schafott des Wirtschaftskrieges und in die Hölle des globalen ökologischen Unterganges führen.
Solange der Vergleich mit dem „Kapitalismus, (der) ein anderes Gesicht trägt“, nur darauf zielen soll, unter Berufung auf Shuichi Kato „die charakteristischen Elemente des jeweils anderen Systems zu absorbieren“, statt grundsätzlich über unsere Wirtschafts- und Lebensweise, Sinn und Unsinn von Welthandelsströmen nachzudenken, so lange sollten Schrempp, Schröder und Mosdorf lieber Samuel P. Huntington, Direktor des Instituts für strategische Studien an der Harvard University, zitieren: „Der nächste Weltkrieg, wenn es einen gibt, wird ein Krieg zwischen Zivilisationen sein.“
Es wäre ehrlicher und folgerichtiger. Rolf Kutzmutz, Wirtschaftspolitischer Sprecher der PDS, MdB
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