■ Press-Schlag: Kaiser kein Mörder
Wie wird man ein komischer Deutscher, fragten sich in den letzten Wochen die hiesigen Illustrierten. Eigentlich ganz einfach: Man wird Fußballer beim FC Bayern, und schon amüsiert man die Nation aufs köstlichste. Zur allgemeinen Erheiterung forderte beispielsweise Lothar Matthäus vergangene Woche ein TV-Duell gegen seinen Widersacher Klinsmann. Klinsi wollte das Ganze am liebsten auf dem Balkon der Muppets- Opas austragen. Worauf sich Lothar mal wieder komplett mißverstanden fühlte, ein neues Buch erwarb und sich mit „Der Ehrliche ist der Dumme“ in die Schmollecke zurückzog.
An das UEFA-Cup-Spiel gegen Nottingham Forest dachte scheinbar kaum einer. Erst Kaiser Franz brachte die Profis wieder auf die richtige Fährte. „Wenn einer durch Faulheit oder Nachlässigkeit den Erfolg gefährdet, werde ich zum Mörder“, drohte Beckenbauer den hochbezahlten Kickern im Dunstkreis von Robin Hood. „Schwein gehabt“, wird sich Christian Nerlinger gedacht haben, als er erfuhr, daß Otto Rehhagel ihn aus der Mannschaft genommen hatte und er im City- Ground-Stadion zu Nottingham auf der Bank Platz nehmen durfte. Zwar hatte sich Nerlinger in den letzten Wochen zum einsatzwilligsten Spieler beim FC Bayern emporgegrätscht, doch sein Leben wollte er für die ledrige Kugel wohl kaum lassen. So sah man am Dienstag leicht verunsicherte Bayern-Spieler in unschuldigem Weiß auf den englischen Rasen schleichen, gewillt, den Kaiser milde zu stimmen. Eine halbe Stunde mußten sie um ihr Leben fürchten, bevor Ziege einen Freistoß an Nottinghams Torwart Crossley vorbeizwirbelte und die Bayern in der zweiten Halbzeit „durch die Reihen der verdutzten englischen Verteidiger spazierten“ (The Independent). Fünfmal ließen die Bayern den Ball im gegnerischen Tor zappeln, den Gegnern gelang dieses Kunststück nur einmal.
Am Ende lagen sich alle bei Steingarnelen auf Melone und Rindermedaillons in den Armen und grinsten um die Wette. Beckenbauer, weil er keinem an die Gurgel und damit nicht ins Gefängnis mußte. Matthäus, weil er sein Buch erst einmal wieder in die Ecke legen kann. Und selbst Mehmet Scholl war zufrieden und entdeckte endlich eine Gemeinsamkeit mit Trainer Rehhagel: „Auch er hat eine Lieblingsposition: auf einer Yacht in der Karibik, von schönen Frauen umgeben. Ich sehe das ähnlich.“ Nina Klöckner
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