: Sozialhilfe: Bundesrat lehnt Bonner Pläne ab
■ Die Länder wollen keine Kostenverlagerung auf die Kommunen. Grundsatzstreit über die Wirtschaftspolitik
Bonn (AFP/dpa) – Die Pläne der Bundesregierung zur Reform der Sozialhilfe sind gestern vom Bundesrat abgelehnt worden. In einer von der SPD-dominierten Länderkammer verabschiedeten Stellungnahme hieß es, das Vorhaben würde zu einer zusätzlichen finanziellen Belastung der Kommunen als Träger der Sozialhilfe führen. Die Bundesregierung wird nun ihrerseits voraussichtlich einen Vermittlungsausschuß einsetzen, um eine Einigung über die Reform zu erreichen. Das Ende Februar vom Bundestag beschlossene Gesetz soll nach Angaben von Bundesgesundheitsminister Horst Seehofer (CSU) Einsparungen in Höhe von rund 2,2 Milliarden Mark bringen.
Das Gesetz sieht vor, daß die Sozialhilfe um mindestens 25 Prozent gekürzt wird, wenn Betroffene eine zumutbare Arbeit ablehnen. Die Regelsätze sollen künftig grundsätzlich um 15 Prozent niedriger als die Nettolöhne in den unteren Einkommensgruppen liegen. Auf der anderen Seite sollen Arbeitgeber, die schwer vermittelbare Sozialhilfeempfänger einstellen, einen Zuschuß zu den Lohnkosten erhalten können. Findet ein Betroffener durch eigene Anstrengungen eine Stelle, soll auch er bis ein halbes Jahr lang einen Zuschuß erhalten können.
Unmittelbar vor den drei Landtagswahlen am Sonntag bezeichnetet der SPD-Chef Oskar Lafontaine im Bundesrat die Stabilitätspolitik der Regierung als Irrweg. Auch eine Politik zur Senkung der Unternehmensteuern, Arbeitskosten und Sozialausgaben sei grundsätzlich falsch. Wirtschaftsminister Günter Rexrodt (FDP) hielt dagegen, im Kampf gegen Arbeitslosigkeit müßten die Unternehmen gestärkt und daher von Steuern und Sozialbeiträgen entlastet werden. Deutschland brauche mehr selbständige Unternehmer und weniger Regulierung – auch am Arbeitsmarkt. Entscheidend für mehr Beschäftigung seien nun zurückhaltende und für Betriebslösungen offene Tarifabschlüsse.
Lafontaine forderte eine international abgestimmte Zinssenkung. Hohe Realzinsen seien die wichtigste Ursache der Arbeitslosigkeit. National müsse die Senkung der Lohnnebenkosten Priorität haben. Neben Einsparungen müßten versicherungsfremde Leistungen in den Bundeshaushalt übernommen werden. Die SPD will dies mit Ökosteuern bezahlen. Sie sollen Energie – Heizen, Strom und Benzin – verteuern.
Finanzminister Theo Waigel (CSU) entgegnete, die internationale Zusammenarbeit sei noch nie so intensiv gewesen. Es gebe breite Übereinstimmung für das Ziel inflationsfreien Wachstums. Lafontaine meinte dagegen, eine Teuerung von zwei Prozent sei keine Inflation mehr.
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