: „Du hast Kokain im Magen“
■ Polizeiaktion gegen Schwarze / Antirassismus-Büro: ohne Tatverdacht zum Brechen gezwungen
Dienstag, 12. März, gegen 21 Uhr am Bremer Hauptbahnhof: die Polizei nimmt Schwarze fest. Am folgenden Tag wieder, insgesamt ca. 15 Personen. Ein Schlag gegen die Kleindealer dort. Gab es einen konkreten Tatverdacht? War die Aktion „erfolgreich“? Wurde Kokain oder anderes Rauschgift festgestellt?
Keine polizeiliche Mitteilung informierte über den Vorfall, auch auf ausdrückliche Nachfrage gibt es keine Information. Allein das „Antirassismus-Büro Bremen“ berichtet von den Vorgängen, dort haben sich einige der betroffenen Schwarzen gemeldet. „Offenbar“, so die Pressemitteilung des Antirassismus-Büros, wurden „auf Kommando alle Schwarzen eingesammelt“. Die Polizeipressestelle weist die Formulierung zurück: Verdächtige seien „auf der Wache vorgeführt“ worden.
Was hinter dem verquasten Amtsdeutsch für die Betroffenen steckt, schildert einer der „Vorgeführten“ so: „Ich versuchte gegen 21 Uhr gerade den Bahnhofsvorplatz zu überqueren, als ich im Zuge eines polizeilichen Großeinsatzes festgenommen wurde. Die Polizisten packten mich am Arm und würgten mich. Ich fragte sie, was das solle und versuchte die Hand wegzudrücken. Es ging nicht. Sie beschuldigten mich: 'Du hast Kokain im Magen.' Ich bestritt dies. Mir wurden Handschellen angelegt, und ich mußte in ein Polizeifahrzeug einsteigen.“
Auf Nachfrage, ob denn Kokain gefunden worden sei, gibt die Polizei auch zehn Tage danach keinerlei Auskunft, sondern verweist an das Innenressort. Die Vorwürfe des der linksextremistischen Szene zuzurechnenden Antirassismus-Büros hätten sich immer als haltlos erwiesen, teilt der Sprecher des Innensenators, Stefan Luft, auf die Frage nach etwaigen Drogenfunden mit. Haben sich Kokain-Päckchen in dem Erbrochenen gefunden? Antwort: „Die Polizei nimmt eine sehr, sehr wichtige Aufgabe wahr...“ Gab es einen konkreten Tatverdacht? „Die Polizei handelt nach Recht und Gesetz....“, die Innenbehörde weist den Vorwurf des Rassismus zurück. Nur eines stellt die Polizei klar: Von den 15 Festgenommenen seien nur zwei mit dem Brechmittel behandelt worden.
Mehr Erfolg war offenbar nicht zu vermelden. Nach der sehr präzisen Auskunft des Antirassismus-Büros wurde einem der „Vorgeführten“ das Brechmittel unter Gewalt durch eine Nasensonde eingeflößt. Der Betroffene berichtet: „Der Arzt tastete mich kurz ab, stellte mir aber keine Fragen. Ich mußte mich auf einen Stuhl setzen, dann gab mir der Arzt einen Becher mit Brechmittel zu trinken. Ich weigerte mich und wies darauf hin, daß ich beim letzten Mal danach erhebliche gesundheitliche Probleme hatte. Das kümmerte den Arzt nicht weiter. Ich kündigte den Polizeibeamten an, daß ich sie anzeigen werde, wenn sie keine Drogen bei mir finden. Sie sagten mir, das sei ihnen egal. Ich wurde mit auf dem Rücken gefesselten Armen auf die Liege gelegt. Ich lag auf dem Rücken. Nun wurde ich von den Polizeibeamten festgehalten, ein Beamter hielt dabei meinen Hals umschlossen, damit ich mich nicht bewegen konnte. Der Arzt nahm einen Schlauch und schob ihn mir durch die Nase in den Magen. Dadurch wurde meine Nase innen verletzt, sie blutete.“
Der Betroffene erklärt unwidersprochen, daß kein Rauschgift gefunden wurde. Zu dem Tatverdacht und der Verhältnismäßigkeit der Mittel geben Polizei und Innensenator keine Auskunft. K.W.
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