: Ohne Bürg- und Bürgerschaft
■ Der Hamburger Senat sponsort Sietas-Werft mit Millionenbeträgen / Auf Absicherung verzichtet und Parlament hintergangen Von Stefanie Winter
100 Millionen Mark wird der Neubau des Este-Sperrwerks in Neuenfelde kosten, je zur Hälfte getragen von der Stadt Hamburg und der Sietas-Werft. Deren Mitfinanzierungsanteil sollte durch eine Bürgschaft gesichert werden; diese vorausgesetzt stimmte die Bürgerschaft dem Haushalt 1996 zu. In wenigen Wochen wird mit dem Bau begonnen – eine Bürgschaft allerdings gibt es nicht, bestätigte gestern Rainer Erbe, Sprecher der Wirtschaftsbehörde, der taz. Da man sich auf einen anderen Zahlungsmodus für den Anteil der Werft geeinigt habe, sei eine Bürgschaft nicht mehr erforderlich. Dies habe Wirtschaftssenator Erhard Rittershaus in einem Brief vom 13. Dezember der damaligen Vorsitzenden des Haushaltsausschusses mitgeteilt.
„Da hat der Senat offensichtlich am Parlament vorbei beschlossen“, kommentiert GAL-Wirtschaftsreferent Detlev Grube. Den neuen Vorschlag hätte der Haushaltsausschuß erneut beraten und die Informationen dem Parlament zugänglich machen müssen, ist er überzeugt. Die Bürgerschaft aber habe – ebenfalls am 13. Dezember des vergangenen Jahres – den Haushalt beschlossen mit der Information, daß Sietas 50 Prozent der Kosten übernehme und dieser Anteil durch eine Bürgschaft gesichert sei. Unerheblich sei dabei, ob der Senat zunächst eine zehnjährige Abzahlungsverpflichtung für den Werftbetreiber vorgesehen habe und ihn jetzt abweichend bereits während der Bauzeit an den laufenden Kosten beteilige. Beides war der Bürgerschaft nicht bekannt, und beides berge als Risiko die Zahlungsunfähigkeit der Altländer Werft.
Behördensprecher Erbe sieht diese Gefahr nicht: „Das ist ein kerngesundes Unternehmen.“ Gerade aus diesem weithin anerkannten Grunde hatte die GAL bereits vor einem Jahr die Übernahme von 50 Millionen Mark Baukosten durch die Hansestadt heftig kritisiert, da der Sperrwerks-Neubau nur der Werft nutze. Sie allein profitiere von dem erheblich breiteren Modell und der geplanten Verlegung der Este, da sie anschließend wesentlich dickere Pötte vom Stapel in die Elbe lassen kann. Daher, so meinen die Grünen, müsse Sietas auch das Gros der Kosten übernehmen.
Ebenfalls seit einem Jahr sieht der Senat das anders und begründet seine finanzkräftige Mitwirkung als „Maßnahme der öffentlichen Infrastruktur“. Wie groß bei 100 Millionen Mark der Anteil für die Erfüllung öffentlicher Aufgaben wie Straßenbau oder Hochwasserschutz ausfällt, kann die Wirtschaftsbehörde aber nicht beziffern. „Sie finden keinen Ökonomen, der das haarklein aufschlüsseln kann“, meint Behördensprecher Erbe und bezieht sich damit offensichtlich auch auf die Stellen vor dem Komma. Anhand objektiver Maßstäbe, ist er dennoch überzeugt, habe man da wohl eine Lösung im gegenseitigen Einvernehmen gefunden.
Keine Angaben machen Senat und Behörde darüber, wie einvernehmlich man sich einigen wird, falls der Werftbetreiber allen Prophezeiungen zum Trotz zahlungsunfähig werden sollte. „Zu hypothetischen Fragestellungen“, so die Antwort des Senats auf eine Anfrage des Bürgerschaftsgaliers Alexander Porschke, äußere er sich nicht.
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