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Alcatel-SEL entläßt 3.000

Einschnitte geringer als befürchtet – immerhin präsentierte die Mutter den größten Verlust der französischen Unternehmensgeschichte  ■ Aus Stuttgart Mathias Mantzen

Gerüchte, bei Alcatel-SEL würden in den kommenden zwei Jahren mehrere tausend Arbeitsstellen gestrichen, wurden gestern vom Vorstandssprecher Peter Landsberg bestätigt. Noch in diesem Jahr sollen 1.300 Stellen vernichtet werden, 1.700 weitere dann im nächsten Jahr. Davon betroffen sind alle neun deutschen Standorte des Tochterunternehmens von Alcatel-Alsthom, der „französischen Siemens“. Landsberg versicherte gestern, kein Werk werde geschlossen oder vollständig verkauft.

Als Grund für den weiteren Abbau nannte Landsberg das schlechte Betriebsergebnis für 1995, dessen genaue Höhe dem Aufsichtsrat im Mai dieses Jahres mitgeteilt werden soll. Selbstkritisch sagte Landsberg: „Wir arbeiten zu langsam, zu umständlich und zu teuer.“ Bereits im Jahr davor hatte der Elektronikkonzern einen „operativen Verlust“ von 150 Millionen Mark verbucht. Das Geschäftsjahr 1995 soll noch katastrophaler gewesen sein. Die Zahl der Beschäftigten bei Alcatel-SEL war in den vergangenen fünf Jahren bereits um fast 7.000 auf heute noch 17.000 Mitarbeiter reduziert worden.

Am heftigsten wird die Personaleinsparung die Stuttgarter Zentrale von Alcatel-SEL treffen. Hier werden noch in diesem Jahr 430 Arbeitsplätze gestrichen. Außer in der Entwicklungsabteilung sind alle Unternehmensbereiche, besonders aber die Verwaltung davon betroffen.

Der Betriebsrat kritisierte gestern vor allem die Entmachtung der deutschen Unternehmensleitung zugunsten des französischen Mutterhauses. Der Vorstand in Stuttgart habe „keine Kraft, sich einer solchen Politik entgegenzusetzen“. Der Gesamtbetriebsratsvorsitzende Alois Süss kündigte an, aus Protest gegen das Sparkonzept in Paris zu demonstrieren. Vor zwei Jahren hatte die Belegschaft schon einmal eine drohende Schließung des Mannheimer Werks verhindert.

Alcatel Alsthom hatte vorgestern in Paris den größten Verlust in der Geschichte französischer Unternehmen präsentiert: 25,6 Milliarden Francs im Jahr 1995, etwa 7,5 Milliarden Mark. Im letzten Jahr wurde noch ein Gewinn von 3,6 Milliarden Francs ausgewiesen. Der Börsenkurs von Alcatel zog in Paris trotzdem an, denn die Aktienhändler trauen dem drastischen Sanierungskonzept von Vorstandschef Serge Tchuruk. Außerdem ist ein Großteil der Riesenverluste auf einmalige Abschreibungen für Entlassungen und Umstrukturierungen zurückzuführen. Tchuruk ist seit Sommer letzten Jahres am Ruder und hat seine Gesamtbelegschaft seitdem um 12.000 auf 185.000 weltweit vermindert. Der Umsatz von Alcatel fiel im letzten Jahr um vier Prozent auf 160,4 Milliarden Franc (47 Milliarden Mark).

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