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Wer die Wahl hat, hat die Grünen

Zwei Drittel der SPD-Mitglieder in Schleswig-Holstein bevorzugen eine rot-grüne Regierung. Simonis muß die „Kröte“ schlucken. Die FDP würde gerne „Schaden“ abwenden  ■ Aus Kiel Kersten Kampe

Die SPD hatte ihre Entscheidung noch gar nicht offiziell verkündet, da war gestern in Kiel schon allen klar: Die Zeichen in Schleswig-Holstein stehen auf Rot-Grün. Einen solchen Fahrplan hatten auch die Liberalen nach einem morgendlichen Gespräch mit der SPD ausgemacht, um mittags aufrecht festzustellen, daß sie für Koalitionsverhandlungen erst mal nicht zur Verfügung stehen. Dabei ließen der neue FDP-Fraktionsvorsitzende Wolfgang Kubicki, sein Vorgänger Ekkehard Klug und Landeschef Jürgen Koppelin aber schon durchblicken, daß sie nicht abgeneigt wären, „Schaden vom Land“ fernzuhalten.

Auch die SPD hatte die Tür nicht ganz zuschlagen wollen und ihre Gremiensitzungen um 24 Stunden verschoben, um auch die Chancen bei der FDP, einem einst sozialliberalen Landesverband, auszuloten. Doch nun scheint die Alternative für Ministerpräsidentin Heide Simonis, eine Minderheitenregierung mit der FDP toleriert von den zwei Abgeordneten des Südschleswigschen Wählerverbandes einzugehen, vorerst ausgeschieden.

Simonis, die aus ihrer Abneigung gegen die Bündnisgrünen in Schleswig-Holstein nie einen Hehl gemacht hat, muß nun wohl oder übel doch „die Kröte schlucken“. Gestern abend wollten sich der SPD-Landesvorstand und der Landesausschuß beraten und ihre Entscheidung anschließend bekannt geben. Geschätzt wird, daß rund zwei Drittel der SPD-Mitglieder im Norden ein rot-grünes Bündnis befürworten. Bereits Mitte der Woche sickerte in Kiel durch, daß die Verhandlungskommission der SPD klar von Anhängern einer solchen Koalition dominiert wird.

Verhandeln sollen neben der Ministerpräsidentin, dem Landesvorsitzenden Willi Piecyk und seinem Stellvertreter Detlef Köpke die Bundestagsabgeordneten Ulrike Mehl und Eckart Kuhlwein, die neugewählte Fraktionsvorsitzende Ute Erdsiek-Rave, die Kieler Abgeordneten Konrad Nabel, Holger Astrup und Ernst Dieter Rossmann sowie Finanzminister Claus Möller und Bundesratsminister Gerd Walter. Die Sozialdemokraten haben auch schon Vorstellungen von einem Zeitplan. Die Verhandlungen sollen nach Ostern beginnen und am 8. Mai beendet werden. Boshafte Zungen behaupteten, das Datum sei mit Absicht ausgewählt worden, je nach Sichtweise: der Tag der Kapitulation oder der Befreiung.

Die Grünen sind zuversichtlich. Das Sondierungsgespräch mit der SPD Mitte der Woche sei gut verlaufen, hieß es von beiden Seiten. Einzelheiten gab niemand bekannt. Von grüner Seite hieß es, man habe den Eindruck gewonnen, daß die SPD überrascht gewesen seien, daß die Grünen die Personalfragen nicht in den Mittelpunkt gestellt hätten. Denn nachdem Vorstandssprecher Klaus Müller und die Fraktionsvorsitzende Irene Fröhlich Anfang der Woche vorgeprescht waren und Anspruch auf ein Ministerium für Umwelt und Energie und eines für Frauen und Soziales erhoben sowie die Auflösung des Agrarressorts gefordert hatten, waren die Führungsleute von der Basis zurückgepfiffen worden. Künftig soll die Devise gelten: erst Sachthemen, dann Posten und Personen. Dreh- und Angelpunkt: die Finanzplanung.

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