: Rod, Krün, Schwaaz, Gelp
■ Politische Farbenspiele beginnen wieder von vorn
Kurz nach der „kleinen Bundestagswahl“ gerät die Farbenlehre der politischen Landschaft in Unordnung. Die Bündnisgrünen grenzen sich von ihrer Braut SPD ab, die langsam ihre Mitgift verliert, Spitzen-SPDler wie Renate Schmidt wollen wieder zur „Partei der Arbeit“ ohne Öko-Option zurück, der Kanzler kitzelt den Streit mit „langfristigen“ schwarz-grünen Optionen, um die wiedererstarkten Liberalen zu kujonieren, und die Blaugelben profilieren sich trotz aller Staatsverschuldung weiter als Steuersenkungspartei.
Rod, Krün, Schwaaz, Gelp – alle Parteien haben ihre Fehler und Lebenslügen: Eine SPD, die zwischen öko-sozialen Ansprüchen und konservativ ausgerichtetem Opportunismus zerrieben wird. Die Bündnisgrünen, die lieber einen Riesenstreit um Petitessen im größten Bundesland vom Zaun brechen, als nun mit erfahrenen Leuten wie Michaele Schreyer oder Ralf Fücks in Schleswig-Holstein der rot-grünen Bundesoption maximale Ministerkompetenz zuzubilligen. Eine CDU/CSU, die für das Überleben der FDP die Staatsverschuldung und das Scheitern der Euro- Konvergenzkriterien in Kauf nimmt, um in Bonn an der Macht zu bleiben. Und eine FDP, die bar jeder gesamtverantwortlichen Perspektive als Steuersenkungspartei ihr Überleben sichern will – das sind die Startglocken für den Bundestagswahlkampf, der am vergangenen Wochenende begonnen hat.
Bei aller verständlichen Abgrenzung in wahnsinnig aufgeregten Zeiten: Tatsache bleibt, daß ohne Problemlösungswillen von allen Seiten sowohl die Arbeitslosen wie die Umwelt, sowohl Europa wie der Standort Deutschland auf der Strecke bleiben. Ob es eine Schnittmenge Schwarz-Grün gibt, die zu einer Regierung taugt, muß solange bezweifelt werden, solange die Schwarzen an der Atompolitik festhalten. Ob Rot- Grün, das gegenüber der FDP erst einmal nur unangenehme Botschaften mit Ökosteuern und teuren Rettungsmaßnahmen für den Sozialstaat zu bieten hat, für 1998 neue Attraktivität entfalten kann, hängt von einer überzeugenden Politik in den rot-grün-regierten Bundesländern und einer kompetenten Arbeitsteilung im Bund ab. Und davon, ob es der SPD gelingt, sich auf einen Kanzlerkandidaten zu verständigen, der nicht napoleonmäßig schnurstracks auf sein Waterloo zusteuert. Heinz Suhr
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen