: Hysterie gibt es noch nicht
■ BremerInnen essen Bio-Fleisch und vertrauen auf BSE-freien Steinbutt, Aal und Lachs
Was Rentner Klaus-Manfred Stremper zu Ostern ißt, weiß er schon seit Tagen genau: „Karpfen blau“. Der wird mit Essig beträufelt und in leichtem Salzwasser mit Möhren und Gewürzen 20 Minuten gedünstet. „Ich esse kaum etwas anderes als Fisch – gebacken, gekocht und geräuchert“, erklärt der 72jährige. „Bei einem Fleischer kaufe ich kein Fleisch mehr“, so der ehemalige Bremer Fischzüchter. Auch die Diskussion um den Rinderwahnsinn hat dazu beigetragen.
Lange Schlangen bilden sich in diesen Tagen vor den Fischständen auf den Wochenmärkten. Rotbarsch, Schellfisch, Seezunge und Steinbutt gehen gut. – „In der Karwoche sind die Umsätze ohnehin höher als sonst“, sagt Fischhändler Peter Koch-Kordes. Nach den jüngsten Horrormeldungen ist der große Run auf den Fisch aber ausgeblieben. „Wir haben keine nennenswerten Zuwächse im Fischhandel“, so Peter Koch-Bodes, Landesvorsitzender des Fischfachhandels in Bremen. Schon im vergangenen Jahr hatten die Meldungen über den Rinderwahnsinn die Fischhändler auf den Plan gerufen – vor Weihnachten hatte der Verband Erkundigungen eingeholt, ob Lachse BSE-verseucht sein könnten. Damals hatte es Entwarnung gegeben.
„Konkret kann man nicht vor dem Fisch warnen“, so Klaus Priebel, Leiter des Veterinärdienstes Bremerhaven. Untersuchungen, die sich speziell mit der Übertragung des Erregers durch Fisch beschäftigten, hat es aber noch nicht gegeben. Die Experten sind derzeit auf Vermutungen angewiesen. „Es ist für mich nicht vorstellbar, daß sich ein BSE-Erreger in einem Kaltblüter vermehrt“, erklärt Klaus Priebel. Die niedrige Körpertemperatur des Fischs, die bei fünf bis zehn Grad liegt, würde dies verhindern. Ohnehin komme 90 Prozent des verzehrten Fischs direkt aus dem Meer, würde also gar nicht mit Fischfutter in Berührung kommen.
Dennoch gehen die BürgerInnen ganz gezielt zum Fischkauf über. Die Bremerin Margret Böring zum Beispiel. Sie hatte sich auf dem Findorffer Wochenmarkt in die Schlange am Fischverkauf eingereiht. Ihr ist schlichtweg der Appetit auf Fleisch vergangen. „Das kann man ja nicht mehr essen“, findet die Bremerin. Sie fühlt sich zudem von den Politikern nicht gut informiert. „Man muß sich seine eigene Meinung bilden“, findet Margret Böring.
Das versuchen die Verbraucher, indem sie sich beim Einkauf beraten lassen. Die Betreiber von Bremer Naturkostläden werden in jüngster Zeit häufiger mit den Ängsten der Leute konfrontiert. „Es wird schon viel nachgefragt, vor allem bei Produkten, in denen Gelatine ist“, so eine Einzelhändlerin. Eine Hysterie kann sie unter ihren KundInnen aber nicht feststellen. Und trotz der Diskussionen um die Ansteckungsgefahr ist der Rindfleischverkauf in ihrem Laden nicht zurückgegangen. Das Fleisch trägt das Etikett „Bio“ und kommt von heimischen Schlachtern. Man vertraut offenbar darauf, daß die Tiere nicht mit - eventuell verseuchtem -Tiermehl gefüttert wurden.
Ähnlich beschäftigt wie seine Kollegen war während des Ostergeschäfts auch Fischhändler Peter Strothoff. Daß die Angst vor dem Rinderwahnsinn seiner Branche neue Kunden beschert hat, mag er so nicht behaupten. Auf jeden Fall sei ein langfristiger Trend hin zu einem höheren Fischkonsum festzustellen. „Den Kunden ist halt mehr nach Aal und Lachs als nach Kassler“, vermutet der Fischhändler.
Katja Krug
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen