„Anderster überlegt“

■ Werder schlägt die Gladbacher: Über Trainerschläue, Dünnpfiff und eine weiche Leiste

Wie haben wir das vermißt: Mario Basler tritt erst an, dann gegen den Ball, der fliegt von der Mitte schräg rechts nach vorne halblinks zentimetergenau auf die Brust von Bruno Labbadia, der nimmt butterweich an, füßelt um einen Gladbacher und schießt wuchtig ein. Yippie! Werder kann wieder gewinnen, und das auch noch mehrfach hintereinander. Aber wie haben wir das erst vermißt: Mario Basler tritt schon wieder, aber vor die Mikrophone und hebt an zu sprechen. Das verspricht humoristische Höhenflüge. In der „Sport Bild“ hatte er gesagt, daß er sich so schnell wie möglich an der „weichen Leiste“ operieren lassen will, weil er unbedingt bei der Europameisterschaft mitspielen wolle. Sollte heißen: Der Verein kann Basler für den Rest der Saison vergessen. Werder-Trainer Dixie Dörner hatte ziemlich sparsam geguckt und sich standhaft geweigert, dazu auch nur Piep zu sagen: „Das möchte ich nicht kommentieren.“ Aber jetzt konnte er wieder lachen, denn was ein echter Basler ist, der läßt die Frage reifen, was denn nun weicher ist, die Leiste oder der Keks. Jedenfalls, Basler will nun doch noch bis zum 1. Mai durchhalten, wenn Bayern kommt. „Das wird ein Fest.“ Woher der plötzliche Sinneswandel kommt? „Ich bin flexibel. Ich hab mir das anderster überlegt.“

Vom Spiel bis zur Pressekonferenz, es war ein rundum kurzweiliger Abend, den Werder am Mittwoch gegeben hat. Basler babbelte, die Mannschaft malochte, was will man eigentlich mehr, zumal die Bremer am Ende gewonnen hatten, und zwar verdient, und zwar mit zwei Toren Vorsprung, woran sich eigentlich nur die Älteren noch erinnern können.

Ernsthaft zu loben ist vor allem einer: Dixie Dörner. Der Mann hat zum Jahreswechsel einen fußballerischen Trümmerhaufen übernommen. Was er bis jetzt erreicht hat, das ist alles andere als eine ästhetische Offenbarung, dazu gibt es immer noch zu viele Grün-Weiße, die die Nähe des Balles vor allem zu Wegdreschen (Schulz) oder zum Geradeauslaufen (Wiedener) nutzen. Aber: Die Mannschaft spielt wieder an der Obergrenze ihrer beschränkten Möglichkeiten, ganz wie zu Big Ottos Zeiten. Und das reicht in einer mittelmäßigen Liga allemal, auch sogenannte Spitzenmannschaften auszuknocken.

Dörner hatte seine Truppe glänzend eingestellt. Der Sieg der Gladbacher gegen die Bayern am letzten Samstag hatte gelehrt, daß die vor allem durch die Mitte angreifen. Bittesehr: Da standen immer mindestens zwei Werderaner den gegnerischen Stürmern auf den Schuhen. Kein Durchkommen. Die Bayern hatten am Samstag dem Gladbacher Spielmacher Effenberg viel zu viel Raum gelassen, so daß der seine genialen Pässe schlagen konnte. Bittesehr: Dieter Eilts hing Effenberg derart auf der Pelle, daß der völlig entnervt nur noch rummeckerte, gelb sah, und dann vom Platz flog, weil er den Ball wegschlug. Weil er einen Einwurf für sich reklamiert und nicht bekommen hatte! Einen Einwurf!! Da hatten die ohnehin schon hirnlos spielenden Gladbacher auch noch ihren Kopf verloren. Schon vorher hatten sie keine Torchance herausgespielt, jetzt gleich überhaupt keine mehr. Die Dörnersche Trainerschläue hatte geklappt. Den Rest erklären Gladbacher Müdigkeit und Bremer Coolness.

Die hatte Werder auch nötig, schließlich spielte fast das letzte Profi-Aufgebot. Das kombinierte sich ruhig und konzentriert eine Chance nach der anderen heraus – vielleicht abgesehen vom notorisch verhudelten Bestchastnikh. Den Antreiber spielte diesmal Heiko Scholz (und den spielte er ziemlich gut), denn Basler saß erstmal wegen Unpäßlichkeit auf der Bank. Nicht etwa wegen der ominösen Leiste, sondern wegen leistungsmindernder Dehydrierung. Basler: „Ich hab Dünnpfiff gehabt.“ Wobei es sich erstens um eine Mannschaftsseuche handeln muß, und zweitens die Frage auftaucht, warum man deshalb nicht Fußball spielen kann. Denn Mirko Votava, der einen sensationellen Ersatzlibero spielte, gab nach dem Kick zu: „Ich hab Dünnpfiff gehabt.“

Nichts weiß man über die Zustände im Magen-Darm-Trakt von Marco Bode und Junior Baiano. Aber die haben auch gut gespielt.

Jochen Grabler