piwik no script img

Eine Partnerschaft der Menschen

■ Vor 20 Jahren haben Bremen und Danzig enge Zusammenarbeit vereinbart

„Bremen? Aber natürlich kenne ich Bremen“, erzählt eine ältere Danzigerin lächelnd. „Der Bus, in den ich jeden Morgen steige, ist doch ein Geschenk aus Bremen. Da gibt es doch so viele hilfsbereite Menschen“. Ihr Mann ist im Zweiten Weltkrieg umgekommen. Ob sie Haß auf Deutsche habe? „Nein nicht mehr. Seit jener Zeit hat sich doch viel geändert“.

Bremen ist für die Mehrzahl der Danziger seit genau 20 Jahren ein positiver Begriff. Am 12. April 1976 hatten Hans Koschnick, Bremens damaliger Bürgermeister, und Andrzej Kaznowski, damals Danzigs kommunistischer Stadtpräsident, die Rahmenvereinbarung für Bremens erste Städtepartnerschaft unterzeichnet. Die Verbindung über den Eisernen Vorhang hinweg war damals ein mutiger Schritt der beiden Hansestädte. Kritische Journalisten vermuteten dahinter allerdings nur eine neue Form des „Polittourismus“.

Doch sie wurden bald eines Besseren belehrt: Die Städtebeziehung ergab tatsächlich rege Kontakte zwischen den Menschen beider Städte. Es gab Erfahrungsaustausch unter Wissenschaftlern, Ärzten, Mitarbeitern der Hafenwirtschaft und in vielen anderen Berufen. Künstler und Sportler trafen in Danzig oder Bremen zusammen, Jugendgruppen verbrachten gemeinsame Ferien. Die Beziehung lebte von Menschen. Dazu gehörte auch jener junge Bremer, der – nachdem er in den gemeinsamen Ferien eine junge Polin kennengelernt hatte – auf seinem Mofa bis nach Danzig holperte.

Einen herben Schock erlebte die Zusammenarbeit dann am 13. Dezember 1981, als der Kriegszustand in Polen verhängt wurde. Die offiziellen Kontakte über die Grenze hinweg wurden unterbrochen. Ganz anders auf privater Ebene: Hier wurden in großem Umfang Hilfstransporte nach Danzig organisiert, weil sich die Versorgungssituation in Polen zusehends verschlechterte. Diese Reisen mit Spenden waren nicht immer leicht. Immer wieder gab es Schwierigkeiten mit Visa. Die Anträge wurden nur schleppend bearbeitet oder gar verweigert, und an den Grenzen wurde man mit peinlichster Gründlichkeit von den polnischen Zöllnern kontrolliert. Trotzdem blieb die Hilfsbereitschaft in Bremen groß.

Mit Argwohn beobachteten die polnischen Offiziellen vor allem die Gründung der Forschungsstelle Osteuropa an der Bremer Universität und die Einrichtung eines „Solidarnosc“-Büros. Das war eher zufällig gerade in Bremen entstanden: Eine kleine Delegation der Danziger Gewerkschafter war gerade in Bremen, als der Kriegszustand in Polen verhängt wurde. An eine schnelle Rückkehr nach Danzig war nicht mehr zu denken, denn durch Pollen rollte eine Welle der Verhaftungen.

Mit der Aufhebung des Kriegszustandes und den ersten freien Wahlen 1989 lebte die Städtepartnerschaft auch auf offizieller Ebene wieder auf. Die Spuren der politischen Wende sind heute überall in Danzig zu sehen. Keiner spricht mehr von einer Versorgungskrise. Auf riesigen Plakaten präsentiert sich die westliche Welt.

Auch ist der Stadtname – ob nun Gdansk auf polnisch oder Danzig auf deutsch – kein so delikates Thema mehr wie früher, wo es sogar bei der Formulierung der Rahmenvereinbarung heftige Auseinandersetzungen um diese Frage gab. Heute sieht man die Namensfrage in Polen gelassener: „Danzig bleibt eine polnische Stadt, egal wie man sie nennt“, meint ein jugendlicher Danziger vor einem McDonalds-Restaurant.

Die Veränderung kennt aber nicht nur Gewinner. Mit dem Konsum kamen auch die Armut und die Sucht nach Danzig. Die seit 1990 bestehende Zusammenarbeit in der Hilfe für Drogenabhängige zeigt dies deutlich.

In der kommenden Woche wird in Bremen der Städtepartnerschafts-Geburtstag mit Gästen aus Polen gefeiert. Neben dem Festakt im Rathaus sind zahlreiche Veranstaltungen geplant: Konzerte, Kunstausstellungen, Vorträge und eine Präsentation Danziger Firmen. Mark Riechel

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen