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Nichts für Müslimuttis

■ Hanfklamotten drängen aus der Ökoecke in den Haute-Couture-Bereich

Hanf liegt bei Hennef nahe Bad Honnef und ist ein altes Dorf. Wo ehedem Altvordere am Mittelrhein das grüne Kraut als Webstoff pflanzen mochten, hat sich nun eine kleine Faserfirma angesiedelt. „The Hanf Company“ (THC) residiert unterhalb des Petersberges. Hier fertigen Claudia Lanius und Peter Homann mit ihren sieben Mitarbeitern Stoffe und Textilien aus der Pflanze mit den vielfingrigen Blättern.

Die Firma am Rande des Siebengebirges ist erst seit August 1994 im Geschäft, gehört aber mittlerweile zu den größten Herstellern von Hanftextilien in Deutschland. Auf Europas größter Modemesse, der CPD in Düsseldorf, zeigte THC im Februar erfolgreich Schauen ihrer Kollektion. Die mehr als zwei Dutzend Teile wurden von der gelernten Schneiderin Lanius designt. Es sind klassische Klamotten: Die Auswahl reicht von Jeans- und Basicwear über Kleider und Westen bis zu Accessoires wie Gürtel, Baseballcaps und Rucksäcke.

Dabei rekurriert THC nicht nur auf die Müslimuttis. Beabsichtigt ist eine Absatzsteigerung im Marktsegment jenseits der Ökoecke, aus der bislang immer noch 80 Prozent aller Kunden kommen. Die Expansion will THC vermittels Qualität vollziehen.

Infolge der Hanfhausse seien die Verbraucher früher mit Waren bekleidet worden, die den hohen Ansprüchen der Käufer nicht gerecht wurden, meinen die THCler – Masse ging vor Klasse. „Dem Ruf von Hanfklamotten hat das eher geschadet“, schimpft Einkäufer Homann. Der Mann ist eigens um die halbe Welt gereist, um einen guten Deal für Hanfstoffe und -garne klarzumachen.

In den Erzeugerländern Ungarn, Rumänien und China fand der Reisende schließlich die Stöffchen in der für THC notwendigen hohen Qualität. „Da uns die letzte Saison gezeigt hat, daß der Endverbraucher Farbe wünscht“, werden die Hanftextilien aus Königswinter heuer in „sechs neuen Trendfarben“ koloriert, so Homann. Dieses Jahr werden schwermetallfreie Farbstoffe verwendet, die das Abwasser im Vergleich zur üblichen Färbung geringer belasten. Konfektioniert wird die Ware dann in Italien, Polen und Rumänien.

Zuvor hatte die Bekleidungsfirma tückische Eigenheiten ihres Rohstoffes gemeinsam mit der Fachhochschule Reutlingen getestet und beseitigt, damit letztlich auch die Verarbeitungsqualität stimmt: „Unsere Hosen laufen weder ein, noch fallen sie nach ein paar Wochen auseinander“, sagt Claudia Lanius. Aber um definitiv aus der Ökoecke herauszukommen, setzt die Schneiderin auf Design: „Die Leute sollen unsere Klamotten kaufen, weil sie ihnen gefallen und nicht, weil sie aus Hanf sind.“ Niemand solle das Gefühl haben, Jute zu tragen.

Früher mußte sich die Hanfmode keineswegs mit einem Nischenimage herumschlagen: Jahrhunderte lang wurden in Irland die feinsten Linnen und in Italien die schönsten Kleiderstoffe der Welt aus Cannabis angefertigt. 80 Prozent aller Textilien und Stoffe für Kleidungsstücke, Zelte, Linnen, Teppiche, Gardinen, Bettdecken, Handtücher, Windeln und so weiter, einschließlich des Sternenbanners, wurden in den USA bis in die zwanziger Jahre des 19. Jahrhunderts und in den meisten Teilen der übrigen Welt bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts vornehmlich aus Hanffasern hergestellt. Unsere Vorfahren wußten sehr wohl, daß Hanf weicher, wärmer und saugfähiger als Baumwolle ist, daß seine Reißfestigkeit dreimal höher und er um ein Vielfaches haltbarer ist als diese. So auch in den USA: Die Wagen der nach Westen ziehenden Siedler waren mit dicken, aus Hanf gewobenen Planen überdacht. Die Schiffe, die um das Kap Horn nach San Franzisco segelten, waren mit Tauen und Segeln aus Hanf ausgerüstet.

Erst als in den späten zwanziger Jahren des 19. Jahrhunderts in Amerika „industrielle“ Webstühle und Baumwollentkernungsmaschinen aus Europa eingeführt wurden, konnte Baumwolle für leichte Kleidung kostengünstiger verarbeitet werden als Hanf, dessen Fasern geröstet, getrennt und dann auf Spinnrädern und Wagenspinnern (Jennymaschinen) handversponnen werden mußten. Aufgrund seiner Reißfestigkeit, Weichheit, Wärme und Haltbarkeit blieb Hanf dennoch bis in die dreißiger Jahre des 20. Jahrhunderts die am zweithäufigsten verwendete Naturfaser.

Als Folge des Marihuanasteuergesetzes von 1937 wurden die natürlichen Hanffasern jedoch durch die neuen Du-Pont-Kunststoffasern verdrängt, die in Lizenz der deutschen I.G. Farben produziert wurden – die betreffenden Patente waren Teil der deutschen Reparationszahlungen an Amerika. Massive Interessen- und Kapitalverflechtungen bestanden zwischen I.G Farben und der amerikanischen Firma Du Pont, von der auch die Erfindung der Nylonfaser stammte, die 1938 patentiert und auf den Markt gebracht wurde.

Schließlich sollte man nicht vergessen, daß rund 50 Prozent aller derzeit in der Landwirtschaft der USA eingesetzten Chemikalien auf den Baumwollplantagen Verwendung finden. Im Gegensatz zur Baumwolle braucht Hanf für sein Wachstum keine Chemikalien und ist kaum von Insekten oder anderen Schädlingen bedroht, jedenfalls nicht von natürlichen – nur von den US-amerikanischen Drogenbekämpfungsbehörden. tjm/jh

Die Informationen zur Geschichte der Hanftextilien sind in dem Standardwerk „Die Wiederentdeckung der Nutzpflanze Hanf“ von Jack Herer (hrsg. von Matthias Bröckers) nachzulesen.

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