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Auge in Auge

Mit Papageien, Zebrafinken und Wüstenrennmäusen. Wange an Wange mit Spinnen und Hamstern: Erkundungen im Reich der Haustierfreunde. Die Welt sieht jetzt ganz anders aus. Ich habe mir eine Katze angeschafft!  ■ Von Stefanie Holzer

Der Käfig mit den Vögeln jener Person, die meine Schwiegermutter wäre, wenn ich geheiratet hätte, mußte kürzlich urlaubsbedingt bei mir Aufenthalt nehmen. Zebrafinken, nicht unbedingt die vifsten Hausgenossen, begrüßen einen, was an trüben Tagen tatsächlich Freude macht, schon in aller Herrgottsfrühe mit etwas gleichförmigem, aber durchaus fröhlichem Geschrei. Innerhalb weniger Tage hatten sie, deren Impetus zur Fortpflanzung mit den in ihren heimatlichen australischen Wüstengebieten selten auftretenden Regenfällen korreliert, Eier gelegt und begonnen, diese zu bebrüten. Ich konnte es nicht über mich bringen, die Eier zu entsorgen. Wenn sich nicht jemand anderer zu einer quasi ordnungspolitischen Maßnahme aufraffte, würden wieder – wie schon einmal geschehen – Junge schlüpfen ... Im lokalen Gratisannoncenblatt ist nachzulesen, wer alles Nachwuchs bekommen hat: „Verschenke gesunde und zutrauliche Wüstenrennmäuse“; „Hamsterbabies, drei Wochen alt, suchen ein gutes Zuhause“; „Verschenke Zwergkaninchen, drei Monate alt, mit Wasserspender, nur an guten Platz, nicht zum Schlachten.“

Zoohandlung

In der Zoohandlung Zips war die hinter mir automatisch schließende Tür noch nicht ganz zu, als ich in dem Über- und Untereinander verschiedener Käfige beobachtete, wie ein kleines Tier, wegen Schwanzlosigkeit als Hamster identifiziert, sich aus seinem Gefängnis befreite. Mit der Hüftpartie wäre er beinahe steckengeblieben, doch er hielt die Luft an und zwängte sich doch noch nach draußen. In Richtung Kasse fragte ich, ob es störe, wenn ein Hamster sich außerhalb des Käfigs aufhalte? Es störte, und der Hamster ward umgehend wieder gefangengesetzt.

Ich sah mich weiter um. Papageien habe ich getroffen und meine alten Bekannten, die Zebrafinken – übrigens waren die drei, die meine Schwiegermutter hingebracht hat, schon wieder verkauft. Das Extrazimmer erwies sich als eine Art Gruselkabinett. Nicht die vielen tropischen Fische, auch die Schlangen und Leguane machten mir nicht viel aus – wenngleich ich doch kurz überlegte, ob die sich wie der Hamster befreien könnten –, doch als ich mich umdrehte und mich Auge in Auge mit einem struppigen, tarantelähnlichen Tier fand, hielt ich die Luft an.

Nach meiner Flucht aus der Hardcoreabteilung unterhielt ich mich zur Entspannung mit dem 12.000-Schilling-Papagei. Er war einem Plausch keineswegs abgeneigt, auch sein Nachbar, eine Art Krähe in Neonfarben, warf uns über den Zaun ein paar Brocken zu. Der Inhaber des Geschäftes, ähnlich gesprächig, erklärte, der häufigste Grund, weswegen Menschen Tiere kauften, sei die Einsamkeit. Die Menschen litten an einer „Kommunikationsarmut“, führte er anschaulich aus. „Aber warum schafft sich einer mit einer Kommunikationsarmut eine Spinne an? Mit der wird wohl niemand groß kuscheln?“ Doch, die seien handzahm und liefen hurtig den Arm hinauf und schmiegten sich an die Wange. Man macht sich besser keine Vorstellung davon, auf welche Weise Leguane ihre Zuneigung beweisen.

Durch mein klitzekleines

Kommunikationsproblem lasse ich mich nun nicht zu einer Tarantel hinreißen, aber: „Könnten Sie mir eine Kartäuserkatze besorgen?“ Kann er nicht. Kartäuserkatzen sind sehr rar, was, da zirka zweitausend Mark für eine mit Stammbaum hinzublättern sind, wieder ein Beweis dafür ist, daß der Markt im Kapitalismus nicht so funktioniert, wie man uns das in der Schule erklärt hat. Sind Rassekatzen ein Statussymbol für Reiche? Nein, die Neigung zur „Edelkatze“ hat nichts mit der sozialen Schicht des Geneigten zu tun. Über den Tierhandel, zischt die Tierarzthelferin, kauft man weder Kartäuser- noch andere Katzen. Sie gehört zu den Gutmenschen und rät, weil sie an die Katzen im Tierheim denken muß, dringend zu einer „normalen“ Hauskatze.

Ist es überhaupt gängig, ein Rassetier zu wollen? Oder gehört es sich, Katzen wie Kinder zu lieben, egal ob sie blond oder sonstwie gefärbt auf die Welt gekommen sind? Meine Schwiegermutter machte ihren Standpunkt klar: Die Rasse sei egal. Aber ganz wie bei der Adoption eines Kindes besteht sie darauf, daß die Katze jung sein muß, sonst würde die Katze mich – und sie! – ignorieren. Bei Freunden in Berlin hatten wir die Bekanntschaft einer Findelrassekatze gemacht, die sich, offensichtlich auch der Gesellschaft von Fremden nicht abgeneigt, an der Unterhaltung beteiligte. Nicht einmal die Vertreterin des Tierschutzverbandes, die übrigens rein privat Main- Coons schön findet, hat etwas gegen Rassekatzen einzuwenden, vorausgesetzt, man

verzichtet auf Billigimporte aus dem Osten: Eine Familie in Kufstein habe ein paar Perserkatzen aus Ungarn hergeholt, die nicht nur selber krank seien, sondern auch noch gleich, als gerechte Strafe, dem jüngsten Sprößling eine Pilzerkrankung angehängt hätten.

Liebhaber

Zoo Franz, der zweite Innsbrucker Tierhändler, führt ebenfalls keine Katzen. Er rät zum Kauf einer Katzenzeitschrift, der alles Wissenswerte über Katzen zu entnehmen sei. Gesine Wolf, Chefredakteurin des einschlägigen Monatsmagazins Katzen Extra, erklärt, weswegen Tierhändler nur schwer an Kartäuser kommen: „Ein Hobbyzüchter, der aus Liebe zum Tier züchtet, wird seine Katzenbabies niemals zum Weiterverkauf an den Zoohandel abgeben. Die Zuchtrichtlinien seriöser Katzenvereine untersagen (...) strikt die Abgabe von Rassekatzen an (...) den Zoohandel.“ Eine andere Art von Handel ist dagegen sehr wohl erwünscht: „Liebevoller Birma-Deckkater hat noch Termine frei.“ Von

den fünf

Zeitschriften im Angebot schien mir insbesondere Geliebte Katze bemerkenswert: Dieses gleichfalls monatlich erscheinende Magazin bietet ein ausklappbares Poster und auf vielen Seiten Service für Ratsuchende: „An alle Katzenliebhaber, die auch den Menschen dabei nicht vergessen. Ich habe vor kurzem meine über alles geliebte Katze verloren. (...) Wer gibt trauriger Katzenmutti Tips zur Bewältigung ihrer Trauer?“ Oder: „Ich habe einen Wellensittich. Wenn ich meinen Kater Tommy und meinen Vogel zusammentue, und mein Vogel fliegt gerade nicht, sind sie wie die besten Freunde. Wenn mein Vogel fliegt, will mein Kater ihn fangen und hinterher. Warum?“ Glanzpunkt der Aprilausgabe ist „Der große Test: Was bedeutet Ihnen Ihre Katze?“ Die Auflösung bestätigte meine Vermutung, daß ich eine ideale Katzenvorgesetzte abgeben würde.

Während all dieser Nachforschungen ist die Entscheidung gefallen. In Bälde wird eine gewöhnliche Hauskatze bei mir einziehen. Weitere Entscheidungen stehen an: Kater oder Katze? Kater sind größer und damit als Statussymbol besser geeignet. Bei Katzen kostet das Kastrieren respektive Sterilisieren doppelt soviel. Darf das pekuniäre Argument einen liberalen Menschen beeinflussen? Oder mache ich mich des felinen Sexismus schuldig? Der Hinweis, daß Kater und Katzen gleich „verschmust“ seien, bereitet mir überdies Unbehagen. Man fühlt sich ein bißchen schmurgelig als Freier angesprochen.

Wie werde ich sie, die Katze, oder ihn, den Kater, nennen? Auch hier läßt einen der gutsortierte Fachhandel nicht im Stich: Das im Verlag Naturbuch aus Augsburg erschienene Bändchen „Wie soll meine Katze heißen?“ beginnt seine Katzennamensliste mit „Abada“ und endet mit „Zsa- Zsa“. Irgendwo habe ich gelesen, daß Katzen gerne Namen haben, die auf i enden. Prägt sich dieser Vokal der Katze leichter ein? Jedenfalls kümmert sich unser amtierender Innenhofkater keineswegs um abfällige „Sascha“-Rufe der Bewohner. Geliebte Katze jedenfalls empfiehlt, den Namen Felix zu meiden: „Bei Ihrem Ruf könnten Sie plötzlich von Katzen umzingelt sein. Denn Felix ist einer der häufigsten Katzennamen.“ Ein einziges I soll das bewirken? „O ja, Katzen hören auf ihren Namen – wenn sie wollen“, setzt die Katzenbesitzerin nach.

Pädagogik

Sie plaudert noch andere Geheimnisse aus: Katzen sind an sich mit drei Wochen „rein“. Doch ihre eigenen beiden Katzen belieben die Vorgesetzte hin und wieder zu strafen. Sie urinieren auf den Saum der bis zum Boden herunterhängenden Vorhänge. Wenn die Katze den neuen Teppich nicht will, protestiert sie mit „Unsauberkeit“. Überhaupt ist die Wohnung katzengerecht zu gestalten. Usambaraveilchen sind, weil für Katzen giftig, ebenso zu kompostieren wie Kakteen, Narzissen, Primeln, Nelken und Maiglöckchen. Tischdecken, wenn Sie welche haben, sind passé: Die Katze könnte die Decke herunterziehen, warnt die Bücher verfassende Katzenkennerin Ulrike Müller, und sich mit heißer Suppe verbrühen. Das Rauchen ist wegen Verbrennungsgefahr ebenfalls einzustellen. Doch es kommt nicht zum Schlimmsten: Ihre Kinder dürfen Sie behalten, allerdings nur, wenn sie immer brav das Spielzeug aufräumen, denn die Katze könnte das Plastik ankauen und verschlucken.

Apropos Kinder: Das „Herumstreunen“ war in den 70er Jahren ein beliebtes Thema für Problemfilme über das Verhältnis zwischen Eltern und heranwachsendem Kind. Dieses Feld – die Kinder sind ja heutzutage eher überlastet und haben keine Zeit zum Streunen – beackern offenbar nun die Katzen: Ulrike Müller muß diese Filme auch gesehen haben. Sie rät, wie fortschrittliche Pädagogen vor zwanzig Jahren, davon ab, die Katze „auszuschimpfen, wenn sie zurückkommt, oder zur Strafe auszusperren“. Was Frau Müller jedoch als Remedium gegen die Streunerei empfiehlt, scheint mir einer besonders dunklen Abteilung der schwarzen Pädagogik (dem Sadismus?) entlehnt: „Freundlich begrüßen, mit dem Tierarzt einen Termin zur Kastration vereinbaren. (Kastrierte Kater und Katzen streunen fast nie.)“

Hygiene

Falls trotz all dieser Vorsichtsmaßnahmen gesundheitliche Beschwerden auftreten sollten, vertraut man sich am besten der ebenfalls in Buchform erhältlichen „Aromatherapie für Katzen“ an oder wendet sich, je nach Glaubensbekenntnis, doch lieber an den „Homöopathischen Katzendoktor“. Auch Bach-Blüten sollen schon geholfen haben... Wenn nun einem gedeihlichen Verhältnis zur Katze nur mehr ein etwaiger „Fettschwanz“ entgegensteht, dann braucht man keineswegs die Hoffnung fahren lassen. Der Fettschwanz beleidigt, soweit ich das sehe, nur das Auge des Besitzers, wohingegen die Katze davon unbeeindruckt bleibt. Erst wenn die Effizienz der sozusagen kätzischen Bürzeldrüse mit einem Bad – Babyshampoo! – und Talkumpudergaben begegnet wird, dürfte die Katze auf ihren optischen Mangel aufmerksam werden.

Abschließend, sozusagen als P.S., das Rechtliche: Hunde brauchen eine eigene Haftpflichtversicherung. Katzen dagegen laufen – wie Kinder – bei der eigenen Haftpflichtversicherung mit.

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