Plädoyer für ein offenes und tolerantes Mostar

■ Neuer Administrator will die Konfliktparteien versöhnen. Streit ist programmiert

Split (taz) – Der neue Administrator der herzegowinischen Problemstadt Mostar ist ein freundlicher Mann. Mit dem Spanier Ricardo Peres Casado hat gestern ein Mann sein neues Amt angetreten, der als ehemaliger Bürgermeister von Valencia genügend Erfahrungen hat, sich mit politischen Widrigkeiten auseinanderzusetzen. Und diese Erfahrungen wird der spanische Sozialist auch brauchen, um sich als Nachfolger des Deutschen Hans Koschnick in seinem neuen Umfeld durchzusetzen.

Schon bei seiner Ankunft in Split am Sonntag versuchte er alle Zweifel zu zerstreuen, die Politik seines Vorgängers würde nicht fortgesetzt. Er wolle die Kontinuität wahren, betonte er. Und lächelte, als er nach der Kontinuität der Konflikte gefragt wurde. Er hoffe nicht, sagte er, daß sie weiterschwelten. Er wolle an dem Aufbau einer offenen und toleranten Stadt mitarbeiten. Mit Casado soll nach dem Willen der Europäischen Union in Mostar ein neuer Anfang gemacht werden.

Kochnick hatte sich mit der kroatischen Führung in der Stadt überworfen, die alles daran setzte, ihn als Administrator zu kippen. Erfolgreich, wie man inzwischen weiß. Wohl auch deshalb, weil die EU und selbst Deutschland Koschnick nicht mehr stützen wollten, um dem Konflikt mit dem Schirmherren der bosnischen Kroaten, dem Präsidenten Franjo Tudjman, auszuweichen.

Schon am ersten Tag ein schweres Problem

Es wird viel Fingerspitzengefühl von Casado verlangt, um die Kontinuität zu wahren und die schon programmierten Konflikte mit der kroatischen Seite zu bewältigen. Schon der erste Tag bescherte ihm ein schwerwiegendes Problem. Sein Stellvertreter, der deutsche Diplomat Klaus Metscher, wurde von dem kroatischen Bürgermeister der Stadt, Mijo Brajkovic, zur persona non grata erklärt. Den Hintergrund dazu bildet der Streit um die Anstoßfinanzierung für die Wiederaufnahme der Produktion des Aluminiumwerks in Mostar, das auf kroatisch kontrolliertem Boden liegt. Brajkovic hatte von der EU-Administration fast ultimativ eine Million Mark für das Werk verlangt.

Metscher jedoch wollte vor einer solchen Finanzierung erst die Eigentumsverhältnisse geklärt wissen. Und kam damit den Interessen des kroatischen Bürgermeisters in die Quere. Dieser war nämlich vor dem Krieg Direktor des Unternehmens. Verkompliziert wird das Ganze noch, weil das Werk dem Energiekonzern „Energoinvest“ mit dem Hauptsitz in Sarajevo gehört. Auch diese Firma fordert ihr Eigentum.

Wie soll sich nun der neue Administrator bei diesem Streit verhalten? Gibt er seinem Stellvertreter Rückendeckung, wird er von den Kroaten in eine Konfrontation gedrängt. Läßt er Metscher aber fallen, verliert er politisch an Glaubwürdigkeit und brüskiert zudem die muslimische Seite. „Dieser Konflikt ist ein Test für Casado,“ heißt es denn auch aus der EU-Administration in Mostar. Die Kroaten wollten wissen, wie weit sie bei dem Neuen gehen könnten. Casado wird gleich zu Beginn seine Autorität wahren müssen, um den neuen großen Aufgaben gerecht zu werden. Für Ende Mai sind Kommunalwahlen angesetzt. Und die versprechen viel Zündstoff.

Immerhin hat der Administrator guten Kontakt zu den örtlichen Ifor-Truppen. Der Nato-Generalsekretär Javier Solana ist sein Freund und hat ihn protegiert. Zudem sind in der Region um Mostar die spanischen Truppen konzentriert. Und er hat einen weiteren Trumpf in der Hand. Würde er als Administrator scheitern, müßte die Europäische Gemeinschaft ihr Engagement in Mostar überdenken. Und das kann nicht im Interesse Kroatiens sein. Erich Rathfelder