: Der Alptraum vom Traumurlaub
■ Mit aggressiven Werbemethoden und falschen Versprechen versucht ein Konglomerat Hamburger Firmen, Urlaubshungrigen fünfstellige Beträge aus der Tasche zu ziehen Von Marco Carini
Das Angebot klingt verlockend: Ein Leben lang Traumurlaub in allen Ländern der Welt, zu einem Preis, der sonst nur für Grömitz oder Garmisch-Partenkirchen reichen würde. Der Schlüssel zum Urlaubsparadies heißt „Time Sharing“. Mit sagenhaften Versprechen versucht ein im Zürichhaus an der Hamburger Domstraße 19 ansässiges Firmenkonglomerat, reisewilligen BürgerInnnen fünfstellige Beträge aus der Tasche zu ziehen: In weitgehender Personalunion betriebene Unternehmen wie „Century“, die „Touristikzentrale Hamburg“ oder der „Viva Ferienclub“ gehen dabei mit aggressivsten Werbe-Methoden auf KundInnenfang.
Rechtsanwältin Gabriele Schmitz, Mitarbeiterin der Hamburger Verbraucherzentrale: „Die Kunden werden unter Vorspiegelungen falscher Tatsachen zu einem Verkaufsgespräch gelockt, massiv unter Druck gesetzt, an Ort und Stelle Verträge abzuschließen und fehlerhaft über ungenügende Rücktrittsklauseln informiert.“ Drei dicke Leitz-Ordner mit den Prozeßakten sich betrogen fühlender „Time-Sharer“ füllen das Regal der Juristin.
Großflächig versendet die Züricher Firma „Life-Style Marketing“ im norddeutschen Raum ein Schreiben, in dem ein bis zu einwöchiger „Gratisurlaub in einer traumhaften Ferienanlage“ versprochen wird. In Frankreich, Spanien oder Österreich, so wird den AdressatInnen offeriert, könnten sie als „Urlaubstester“ eine „erlebnisreiche Woche“ erleben.
Wer den vorbereiteten Coupon ausfüllt, wird von der Hamburger Touristik-Zentrale zu einem Informationstermin ins Zürichhaus bestellt. Doch dort geht es weniger um den kostenlosen Urlaubstest als um den Verkauf eines 50 Jahre währendes Dauerwohnrechts an einem Appartement der Ferienanlage Todtmooser Hof im Schwarzwald. Das Nutzungsrecht allerdings ist – je nach Preis – auf eine (18.100 Mark) oder zwei (35.000 Mark) Wochen pro Jahr beschränkt. Kein schlechtes Geschäft: Pro Ferienwohnung können so über 900.000 Mark eingestrichen werden.
Mit dem Wohnrecht erwirbt der Vertragsunterzeichner die Möglichkeit, für eine Bearbeitungsgebühr von 180 Mark seinen Urlaub auch in einer anderen der über 3.000 Ferienanlagen rund um den Globus zu verbringen, die wie der Todtmooser Hof dem amerikanischen Unternehmen „RCI“ angeschlossen sind. Der Computer sagt, welche Anlage wann frei ist, die WohnrechtlerInnen können – angeblich – nach Belieben buchen.
Die Message: In traumhaften Ferienanlagen wohnen, ohne noch jemals einen Pfennig Übernachtungsgebühr zahlen zu müssen. Nur wer länger verreisen will, als es sein Nutzungsrecht hergibt, muß pro Verlängerungswoche noch einmal 350 Mark blechen.
Die TeilnehmerInnen der Verkaufsveranstaltung im Zürichhaus werden massiv bedrängt, an Ort und Stelle zu unterschreiben. Sonst verfalle das großzügige Angebot. Der Zeitdruck macht Sinn: Die KundInnen hätten sonst Gelegenheit, genauer nachzuforschen und Fakten in Erfahrung zu bringen, die sie von der Vertragsunterzeichnung mit Sicherheit abhalten würden.
Denn den potentiellen DauerwohnrechtlerInnen wird verschwiegen, daß sie in ein marodes Objekt investieren sollen. Im Dezember 1995 teilte RCI allen Wohnrechtsbesitzern des Todtmooser Hofes mit, daß die renovierungsbedürftige Anlage „unter den von uns festgelegten RCI-Standards“ liege, so daß die Anlage schon vor Monaten vorläufig aus dem Tauschprogramm geflogen sei.
Deshalb sei das Unternehmen nur noch bereit, den Angeschriebenen ihre Tauschmöglichkeiten über RCI in vollem Umfang „bis Ende März zu garantieren“. Cornelia Hamilton aus der Geschäftsleitung der Deutschlandfiliale der RCI bestätigte der taz noch im April, daß über „eine Fortsetzung der Tauschoption noch nicht entschieden“ sei. Trost für die glücklichen Century-Kunden: Das Dauerwohnrecht in der Bruchbude bleibt ihnen erhalten. Kleiner Nachteil: Sie könnten die nächsten 50 Jahre nur im Schwarzwald urlauben.
Während auf der Century-Werbeveranstaltung verkündet wird, die Instandhaltung ihrer Ferienanlage würde zu hundert Prozent aus einer von ihnen zu zahlenden jährlichen Servicegebühr von 210 Mark bestritten werden – zusätzliche Kosten entstünden nicht – sieht die Realität anders aus. Um nicht gänzlich aus dem RCI-Tauschprogramm zu kippen, forderte die Century im vergangenen November alle Teil-Zeit-BesitzerInnen der Schwarzwald-Anlage auf, 700 Mark pro erworbene Nutzungswoche für Renovierungsarbeiten nachzuschießen.
Weitere „Tricks“ der Urlaubs-WerberInnen: Die versprochene „99-Prozent-Garantie“, sich jederzeit an einen Urlaubsort nach Wahl tauschen zu können, existiert in der Praxis nicht. Die Vorzeige-Reiseanlagen sind oft über Jahre ausgebucht. Eine versprochene Rücktrittsfrist für die KundInnen ist vertraglich nicht verbrieft: Viele Century-Geschädigte mußten sich schon aus den Dauerwohnrechts-Verträgen rausklagen und verloren dabei Tausende von Mark.
Und auch mit dem kostenlosen einwöchigen Gratisurlaub, mit dem InteressentInnen ins Zürich-Haus gelockt werden, wird es so nichts: Für 90 Mark „Bearbeitungsgebühr“ können sie allenfalls kostenlos übernachten und auch das nicht unbedingt eine ganze Woche. Allerdings nur, wenn sie sich verpflichten, in dem Hotel Mahlzeiten zu einem bestimmten Mindestpreis einzunehmen. Die Rechtsanwältin Gabriele Schmitz: „So holen die Hotels die fehlenden Übernachtungserlöse spielend wieder rein.“
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