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Entscheidung über Asylrecht fällt

Heute wird das Bundesverfassungsgericht verkünden, ob der 1993 ins Grundgesetz geschriebene Asylkompromiß von Regierung und SPD Bestand haben soll  ■ Aus Karlsruhe Christian Rath

Heute wird das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe sein langerwartetes Urteil über das neue Asylrecht sprechen. Flüchtlingsinitiativen, Grüne und Teile der SPD hoffen, daß Karlsruhe die zynischen Abwehrmechanismen der 1993 eingeführten Regelungen für verfassungswidrig erklären oder wenigstens großzügig auslegen wird. Konservative Politiker dagegen drohen schon seit Monaten, daß sie ein derartiges Urteil nicht akzeptieren würden. Im Falle einer juristischen Niederlage wollen sie auch die verbliebenen Reste des individuellen Grundrechts auf Asyl aus dem Grundgesetz tilgen.

Falls aber Karlsruhe das System der rechtlichen Flüchtlingsabwehr bestätigt, dürfte dies von vielen Menschen als endgültige Abkehr der Bundesrepublik von humanitärer Politik verstanden werden.

Auf dem Prüfstand stehen anhand von fünf exemplarischen Einzelfällen alle neuralgischen Punkte der Neuregelung, die vom Postulat „Politisch verfolgte genießen Asylrecht“ kaum etwas übrig läßt. So besteht bei Einreise aus einem „sicheren Drittstaat“ gar kein Anspruch auf ein Asylverfahren. Die AntragstellerIn kann sofort wieder ausgewiesen werden.

Schafft die AsylbewerberIn die Einreise, ohne den Boden eines sicheren Drittstaates zu berühren, gibt es weitere Einschränkungen, falls sie aus einem per Gesetz festgelegten „sicheren Herkunftsstaat“ kommt. Dann nämlich gilt die Vermutung, daß auch die AntragstellerIn nicht politisch verfolgt wurde. Hier darf immerhin noch versucht werden, das Gegenteil zu beweisen, das gerichtliche Verfahren wurde jedoch stark verkürzt. Der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gegen die drohende Abschiebung muß binnen einer Woche gestellt werden, für sprachunkundige AusländerInnen eine reine Schikane. Bei Ankunft mit dem Flugzeug wird das ganze Verfahren gleich auf dem Flughafen abgewickelt, die Wochenfrist, um Rechtsmittel einzulegen, verkürzt sich auf aberwitzige 3 Tage.

Manche dieser Abwehrregeln stehen im Grundgesetz selbst, andere nur im ausführenden Asylverfahrensgesetz. Die Anwälte der klagenden Flüchtlinge versuchten im Dezember letzten Jahres mit einer Zangenstrategie anzugreifen. Einerseits versuchten sie zu belegen, daß der Bundestag „verfassungswidriges Verfassungsrecht“ geschaffen hat. Denn auch Grundgesetzänderungen müssen die Menschenwürde (etwa den Schutz vor Folter) und das Rechtsstaatsprinzip beachten. Eine sehr riskante Strategie, denn das ohnehin angeschlagene Verfassungsgericht wird es wohl kaum wagen, das Grundgesetz anzutasten.

Alternativ zu dieser Argumentation versuchten die Anwälte deshalb immer wieder, das neue Asylrecht doch noch im Sinne der Flüchtlinge auszulegen. So belegten sie, daß in Nigeria nach wie vor die Todesstrafe vollzogen wird und der afrikanische Staat damit kein sicherer Herkunftsstaat sein könne. Auch konnten sie nachweisen, daß in Ungarn, Österreich und Griechenland durchaus die Gefahr einer Weiterschiebung in den Verfolgerstaat besteht und diese Staaten entgegen der gesetzlichen Annahme damit keine sicheren Drittstaaten seien.

Sollte das Verfassungsgericht jedoch den Asylkompromiß von Regierung und SPD bestätigen, dann bliebe nur die Hoffnung, daß wenigstens in besonders krassen Einzelfällen weiterhin das Verfassungsgericht angerufen werden kann. PessimistInnen befürchten, daß selbst dieses Schlupfloch verschlossen bleiben könnte. Denn die Logik des neuen Asylrechts bestehe ja gerade darin, den Flüchtlingen so wenig wie möglich Verfahrensrechte einzuräumen.

Innenminister Manfred Kanther, der an den fünf Verhandlungstagen fast durchgängig anwesend war, warb in Karlsruhe vor allem um Anerkennung der zentralen Drittstaatenregelung. „Wir haben hier eine Vertrauensordnung, in der wir davon ausgehen können, daß sich unsere Nachbarstaaten an ihre völkerrechtlichen Verpflichtungen halten.“

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