Krise in Ankara

■ Türkisches Verfassungsgericht: Vertrauensvotum für Yilmaz ist ungültig

Istanbul (taz) – Der türkische Ministerpräsident Mesut Yilmaz, derzeit auf Staatsbesuch in Deutschland, muß im eigenen Land um seine Regierung fürchten, die erst seit vergangenem März im Amt ist. Zwei Tage vor seiner Reise in die Bundesrepublik erklärte das türkische Verfassungsgericht, daß das Vertrauensvotum für Regierung Yilmaz am 12. März ungültig war. 273 Abgeordnete des 550köpfigen Parlaments, nämlich die absolute Mehrheit, hätten beim Vertrauensvotum für die Regierung Yilmaz stimmen müssen, entschieden die Richter. Tatsächlich hatten nur 257 Abgeordnete der Regierung Yilmaz das Vertrauen ausgesprochen. Mit dem Urteil entsprach das Verfassungsgericht einer Klage der islamistischen „Wohlfahrtspartei“.

Das Urteil des Verfassungsgerichtes hat allerdings keine unmittelbaren Auswirkungen, weil es nicht rückwirksam ist. Juristen und Politiker streiten sich derweil, ob die Regierung Yilmaz überhaupt noch über eine parlamentarische Legitimation verfügt. Doch nahezu alle politischen Kommentatoren sind sich in einem Punkt einig. Die politische Moral indes gebietet ein neues Vertrauensvotum.

Der Richterspruch ist ein Schlag für die ohnehin labile Koalition zwischen der „Mutterlandspartei“ und der „Partei des rechten Weges“. Mesut Yilmaz, Vorsitzender der „Mutterlandspartei“ und Tansu Çiller, Vorsitzende der „Partei des rechten Weges“, erwecken nicht den geringsten Anschein von Koalitionspartnern, sondern von unversöhnlichen Erzfeinden. Minister der Regierung, die der „Partei des rechten Weges“ angehören, feierten den Richterspruch, weil dadurch ein neues Poker um den Bestand der Koalition eröffnet ist. Sie forderten den Rücktritt von Yilmaz. Die Fraktion der „Partei des rechten Weges“ ist verärgert über dessen Mutterlandspartei, deren Abgeordnete für die Einrichtung zweier parlamentarischer Untersuchungsausschüsse, die Bestechungsvorwürfe gegen Ex-Ministerpräsidentin Çiller klären sollen, stimmten. Ömer Erzeren