Normalität per Ausnahmezustand herstellen

■ Der Senat, nicht die Armee will die Zeremonie vor dem Charlottenburger Schloß

Das vor dem Charlottenburger Schloß geplante öffentliche Gelöbnis wird offenbar nicht von der Bundeswehr forciert: Der Senat will die Vereidigung mit Publikum. „Wir können doch eine Stadt nicht zu einer öffentlichen Veranstaltung zwingen“, sagte ein Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums der taz. Zuständig seien die für innere Sicherheit zuständigen Stellen des Senats. Das ist der Generalleutnant a.D. Jörg Schönbohm, seines Zeichens Innensenator. Er „begrüßt es natürlich, daß Berlin auf dem Weg in die Normalität ist“, sagte seine Sprecherin Francine Jobati.

Wie berichtet werden am 31. Mai auf dem Schloßplatz 300 Rekruten der Panzerbrigade 42 ihren Eid ablegen, „das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen“. Damit beschwören in Berlin erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg junge Kriegswerker ihre Treue zur BRD. Um die Normalität des militärischen Zeremoniells sicherzustellen, müssen Schönbohms Mannen rund um das Lustschloß der Hohenzollern wohl den Ausnahmezustand herstellen. Gestern kündigten der Bezirk Charlottenburg, die Bündnisgrünen, die Jusos, die Kirche und die „Aktion Gelöbnis verhindern“ Widerstand an. Der evangelische Pfarrer Stefan Frielinghaus nannte die Zeremonie „ein archaisches Beschwörungsritual“. Auch die Bundestagsabgeordnete Renate Rennebach (SPD) kritisierte die öffentliche Vereidigung als „spektakuläre Präsentation militärischer Rituale“.

Das Gelöbnis werde „nicht in Ruhe“ abgehalten, versprach Christian Herz von der Kampagne gegen Wehrpflicht, Zwangsdienste und Militär. Die Kampagne will die Berliner Normalität auf ihre Weise bewahren. Es würden vor und während der Zeremonie „geeignete Maßnahmen“ ergriffen, den militärischen Treueschwur zu stören, sagte Herz. Nach Herz und seinen pazifistischen Mitstreitern dienten Gelöbnisse dazu, den Boden für die Neuorientierung der Bundeswehr auf Kampfeinsätze zu bereiten. Es gehe darum, zitierte Herz Verteidigungsminister Rühe, „die ganze Gesellschaft auf diese neuen Aufgaben vorzubereiten“.

Zunächst müssen Polizei und Feldjäger jedoch allerlei Widerstand am Schloß überwinden. Charlottenburgs Baustadträtin Beate Profé will alle Möglichkeiten bürokratischen Ungehorsams prüfen. Ihr bündnisgrüner Parteikollege Thomas Birk geht davon aus, daß massive Sicherheitsvorkehrungen getroffen würden. Er mutmaßte gar, daß Scharfschützen auf den Dächern postiert würden. Solcherlei „taktische Einzelheiten“ mochte Schönbohms Sprecherin Jobati allerdings nicht bestätigen. Sicher ist aber, daß am Richard-Wagner-Platz die Demokratie endet. Bis dorthin und nicht weiter darf eine Gegendemonstration ziehen und ihre Meinung äußern. Christian Füller