: Ein Mutterländler auf Staatsbesuch
■ In Bonn präsentierte sich der türkische Noch-Ministerpräsident Mesut Yilmaz als starker Mann. Den Kampf gegen die PKK will er „bis zum Ende fortführen“
Bonn (taz) – Der neue türkische Ministerpräsident Mesut Yilmaz hat bei seinem ersten Besuch in Bonn die Forderung seines Landes nach engeren Beziehungen zur Europäischen Union (EU) wiederholt. Die Türkei brauche eine zeitlich klare Perspektive, sagte Yilmaz. Die seit Anfang des Jahres geltende Zollunion mit der EU bürde seinem Land Opfer auf, die kaum zu erfüllen seien.
Laut der Auskunft seines Amtes sprach Bundespräsident Roman Herzog gegenüber dem Gast den Schutz der Menschenrechte und die Kurdenproblematik an. Öffentlich wiederholte Yilmaz die Bereitschaft, den Konflikt mit nichtmilitärischen Mitteln zu lösen, sofern die territoriale Integrität seines Staates gewahrt bleibe. Gleichzeitig kündigte er an, die Sicherheitskräfte würden den Kampf gegen den PKK-Terror „bis zum Ende fortführen“.
Bei dem Gespräch mit Kohl, an dem zeitweise auch Innenminister Manfred Kanther (CDU) teilnahm, ging es auch um die Rechtslage für die zwei Millionen in Deutschland lebenden Türken. Yilmaz forderte eine bessere Integration seiner Landsleute in die deutsche Gesellschaft. Das umfasse auch „bestimmte Regelungen in der türkischen und deutschen Legislative.“
Eine besondere Dramatik erhielt der Besuch Yilmaz' durch die Zuspitzung der innenpolitischen Lage in der Türkei: Das Verfassungsgericht hatte in dieser Woche das Vertrauensvotum des Parlaments für die vor zehn Wochen gebildete Minderheitsregierung für ungültig erklärt. Noch auf dem Flug nach Deutschland hatte Yilmaz zudem den Konflikt seiner „Mutterlandspartei“ mit der Koalitionspartnerin Tansu Çiller um Korruptionsvorwürfe so verschärft, daß ein Bruch der Regierung nun kaum noch abgewendet werden kann.
Mit der Notwendigkeit, sich angesichts eines absehbaren Regierungsbruchs als starker Mann zu präsentieren, erklären sich wohl auch die drohenden Töne, die von hochrangigen Verbündeten in Bonn sonst nicht zu hören sind. Mit den Worten „Wir können diese feindselige Haltung Syriens nicht mehr lange tolerieren“ forderte Yilmaz den Nachbarstaat auf, mit der PKK zu brechen.
Begleitet wurde der Besuch des türkischen Ministerpräsidenten von Protesten. Am Rande der Bannmeile im Bonner Regierungsviertel demonstrierten mehrere hundert Kurden und Mitglieder von Menschenrechtsorganisationen für eine friedliche Lösung der Kurdenfrage. Die kurdische Gemeinde in Deutschland warnte, Yilmaz versuche „westliche Öffentlichkeit und Regungen zu blenden“. Hans Monath
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