: TV, Welt, Collage
■ Zwei Ausstellungen versuchen, im Spiel mit medialen Produkten die Welt künstlerisch neu zusammenzusetzen
Demiurgisch die Welt neu zu schaffen war das alte Ideal der Künstler, später begnügten sie sich mit dem modellhaften Herstellen neuer Zusammenstellungen und verlegten die Weltbildung in die Wahrnehmung der Betrachter. Besonders leicht sind neue Kombinationen von Welt in der Collage zu erreichen. Ein Meister dieser Technik ist Ulf Rungenhagen.
Aus einer ungeheuren Zeitschriftensammlung komponiert der 49jährige Rheinländer neue, kleinteilige, aber großformatige Bilder, die schon von weitem den Eindruck von Spielfeldern erwecken. Häufig gestaltet er komplette Räume mit riesigen Collagen und installiert ganze Erlebnisfelder. In Hamburg zeigt er kleinere Arbeiten, aber auch sie laden ein zum spielerischen Sehen.
Die Herauslösung von Bildern aus ihrem alten Kontext und die rhythmische Einbindung in einen neuen bringen die Zeichen zu sich selbst. Oft bedarf es erst solcher Eingriffe, um entweder den Hintersinn oder den Blödsinn der alltagsüberschwemmenden Icons zu erkennen. So entstehen Metabilder, ebenso welthaltig wie amüsant.
Mit dem Alltag befaßt sich auch eine andere Ausstellung: Auf Kampnagel sind Mode und Fern-sehunterhaltung das Thema. Die zunehmende „Disneysation“ der Welt ist der immer mächtiger werdende Gegner der Künstlerinnen Maren Paulat und Cornelia Büschbell. Die unterschiedlichen Arbeiten der beiden passen überraschend gut zu einer Kritik der Populär-Kultur zusammen. Fotoserien gewinnen dem Fernsehleben zusätzliche Aspekte ab, TV-Fotos werden benäht und bestickt, eine blaue Stretch-Bluse wird zur Leinwand und auf Schaumstoffkissen entstehen monströse Porträts aus Accessoires einer Ladenkette mit Namen Teures-Billig.
Ist es bei soviel Augenverschmutzung vielleicht besser, garnichts mehr zu sehen? In „time stretch“ ertönt aus zwei neutralweißen Kisten gehobenes Geschwätz: Ohne alle Bilder wird in einer Art Wortfilm über Kino diskutiert.
Am interessantesten sind aber im hintersten Raum die Arbeiten zu den menschlichen „Selbstverpackungsstrategien“: Auf farbigen Quarzsandfeldern aufgestellt treffen sich skurril geknautschte Satin- Abendkleider, eher Qual im Kleid als Freude am Schönen, und irgendwie mafiös wirkende, gestärkte und gebügelte Männerhosen. Ihnen haftet nichts mehr von Modedisplay an, eher wirken sie wie Torsi antiker Skulptur. Daneben dann locker abgehängte Luftreifen, gekleidet in bunte Blusen mit hängenden Ärmchen: eine außerirdische Monstertruppe in „Raumschiff- Orion-Qualität“. Womit der Blödsinn des Alltags hier erneut künstlerisch geadelt ist. Hajo Schiff Ulf Rungenhagen: Agentur für Zeitgenössische Kunst, Weidenallee 10b, Di+Do, 16-20 Uhr, noch bis 4. Juni Lazyboys + busybodies: KX auf Kampnagel, Jarrestr. 20, Do-Sa, 16- 20 Uhr, noch bis 1. Juni
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