Kommentar (vgl. S. 23): Horror vacui
■ Wie man eine Stadt vollstellt
Eigentlich sollte man den Streit um die Brunnenskulptur auf dem Domshof als Provinzposse abtun. Aber es geht nicht nur um den Standort, um fünf Meter weiter vor oder zurück. Es geht auch nicht um kleinliche Verfahrensfragen. Es geht um die Geisteshaltung der Auftraggeber, die hier zum Ausdruck kommt – und die symptomatisch ist für unseren Umgang mit Straßen und Plätzen: Eben wird auf dem Domshof ein kleiner Platz geschaffen – schon muß irgendwas her, das ihn füllt. Und sei's ein biederer Brunnen.
Es wird nicht der einzige bleiben. An der gegenüberliegenden Platzseite spüren die Architekten schon wieder so ein Kribbeln: Auch dort könnte, ja müßte irgendwas Nettes hin. Das ist der Geist, der uns historisierende Laternen beschert hat und Pflanztröge mit Biedermeier-Charme. Sowas nennt sich dann „Stadtmöblierung“.
Was ein treffender Begriff ist. Er soll schließlich suggerieren, daß es draußen auf den vollmöblierten Plätzen so kuschelig ist wie im heimischen Wohnzimmer. „Tyrannei der Intimität“, hat das ein Kritiker postmoderner Architektur genannt. Den Vorwurf müssen sich auch jene anhören, die jedes neue, freie Plätzchen flugs mit Kunst und Kitsch besetzen. Was dabei herauskommt, ist lediglich eine visuelle Form jener heiter-belanglosen Begleitmusik, die uns in den Kaufhäusern und Passagen umwabert. So denken Planer, die in den Bürgern ihrer Stadt nur noch Flaneure sehen. Thomas Wolff
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