: Frei war Linz schon 150 Jahre vor Bremen
■ Bremen und Linz, zwei Städte, die vieles gemeinsam haben oder hatten. Zum Beispiel die Werften oder die Wollmanufaktur / Ein Linzer staatl. gepr. Stadtführer gibt Auskunft
Also, mit der Stadt Linz als solcher hat das Linzer Diplom eigentlich gar nichts zu tun. Denn wenn auch der Kaiserhof wie häufig in unruhigen Zeiten sich wieder einmal in die Hauptstadt des Erzherzogtums ob der Enns zurückgezogen hatte und das Reichsstadtdekret von Kaiser Ferdinand III. dortselbst unterfertigt wurde – nun, das hätte er auch in jeder anderen Stadt getan, sobald sicher war, daß die Bremer bereit wären, die horrende Summe von 100.000 Reichstalern für die Bestätigung ihrer Reichsunmittelbarkeit hinzulegen.
Und so hat die Stadt Linz von diesem schönen Deal nichts gehabt. Bis auf das Bewußtsein vielleicht, daß man das, was Bremen sich da teuer erkauft hatte, schon 150 Jahre zuvor, wenn auch auf andere Art, bekommen hatte. Denn das heutige Oberösterreich war schon im 13. Jahrhundert als Erbland an die Habsburger gefallen, und solange diese auf dem Kaiserthron sitzen bleiben würden, war man auch als Linzer so gut wie reichsunmittelbar.
Kaiser Friedrich III. war der erste gewesen, der 1485 seine Residenz von Wien vorübergehend nach Linz verlegt hatte, und es hat ihm dort offenbar so gut gefallen, daß er der Stadt nicht nur bis zu seinem Tode treu blieb, sondern sie 1490 offiziell zur Landeshauptstadt des Erzherzogtums ob der Enns erklärt und ihr Privilegien eingeräumt hatte, die einer reichsunmittelbaren Hauptstadt wohl anstanden.
Während Bremen weiter erfolgreiche Handelsstadt blieb, verlegte sich Linz schon früh auf die Industrie: 1672 wurde die Wollzeugmanufactur gegründet, ein Unternehmen, das rasch expandierte und keine hundert Jahre später in der Stadt selbst 8000 Leute beschäftigte (das war fast die Hälfte der Bevölkerung!), und samt den Heim- und Zulieferarbeitern im Umland insgesamt an die 20.000 – einer der größten Industriebetriebe seiner Zeit überhaupt.
Der Industrie blieb die Stadt auch späterhin treu: 1840 gründete der Productenhändler und Schiffmeister Ignaz Mayer eine Schiffswerft in Linz, und er gründete sie mit Weitsicht: Nicht mehr die bis dahin üblichen hölzernen Plätten und Kehlheimer für die Donausschiffahrt ließ er bauen, sondern eiserne Frachtkähne, bald auch Dampfschiffe, und schnell wurde die Werft zu einem Lieferanten für die Binnenschiffahrt in ganz Europa. Linz ist bis heute der größte Binnenhafen Österreichs und Bremen der größte Überseehafen: Fast ein Drittel der über die bremischen Häfen ein- und ausgeführten Güter kommen aus oder gehen nach Österreich, und ein ganz erheblicher Teil davon wiederum nach Linz.
Zu diesem Teil gehört auch der Tabak, denn Linz ist Sitz der Produktionsstätte der Austria Tabakwerke AG, dem staatlichen österreichischen Monopolisten für blauen Dunst. Und die Kleinmünchner Textilfabrik verarbeitet Baumwolle, die – wie könnte es anders sein – über die Bremer Baumwollbörse gehandelt wurde.
Bekannt wurde Linz als die Stahlstadt. Der Stahlboom der Wiederaufbauzeit und die Entwicklung neuer Technologien ließen die staatliche VÖEST in der Nachkriegszeit zum Motor der Linzer Wirtschaft werden. Und wie Klöckner in Bremen, so wurden auch die Stahlkocher in Linz von der Stahlkrise ab Ende der 70er Jahre stark gebeutelt. Daß in Bremen die Ister-Reederei, eine 100%ige VÖEST-Tochter, ansässig war und daß zwei ihrer drei Schiffe, die Wienertor und die Kremsertor von der AG Weser gebaut wurden, ist ja fast schon selbstverständlich, wenn auch nur den Kennern der maritimen Szene geläufig. Daß allerdings Gießerei und Schmiede der VÖEST auch als Zulieferer für den deutschen Schiffbau tätig waren, wissen wirklich nur Experten.
Wat dem Bremer sin Beck's, ist dem Linzer sein eigenes Bier. Linz hat als Braustadt Tradition und ist auch heute Sitz des größten österreichischen Bierkonzerns, der Brau AG und Brau-Beteiligungs-AG, die über die Hälfte des österreichischen Biers produzieren. Bloß nicht mehr in Linz, da wurde der Braubetrieb schon vor Jahren eingestellt. Aber die Gröschlein der Bierversilberer fließen auch weiter in den Stadtsäckel.
Nur gegen die Bremer Stadtmusikanten können wir Linzer nichts setzen. Es wäre denn unsere Linzer Torte, die erstmals 1696 in einem Rezept als Lintzer Durttn erwähnt wird. Sie ist das heimliche Wahrzeichen von Linz und mit 300 Jahren ehrwürdig genug, um den Bremern als Geschenk der Stadt Linz zum Jubiläum überbracht zu werden. Möge sie den Bremern schmecken! Helmut Peter Einfalt
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