Zwischen den Rillen
: Aktentaschenmetal

■ Von straight bis sämig: Porno For Pyros, Biohazard, Soundgarden

Zweite Folge unserer beliebten Serie „Abräumer in bekannten Marktsegmenten“ wie Alternative, Rock, Mainstream und Metal. Die Protagonisten dieses Mal: Porno For Pyros, Biohazard, Soundgarden. Besondere Kennzeichen: können produzieren, was sie wollen – ihre Alben verkaufen sich wie warme Semmeln. In Hallen, die weniger als 5.000 Leute fassen, können sie folglich nicht mehr auftreten.

Keine Chuzpe, keine Verve: Soundgarden Foto: A&M

Mitschuld daran trägt sicher Perry Farell, der Mann, der dem ganzen amerikanischen Rock, sei er nun independent, corporate oder commercial sein Dach gebaut hat: Er ist der Initiator des Lollapalooza-Festivals, dieses rock'n'rollenden Wanderzirkus in den USA, in dem alle auftreten, die in den letzten Jahren Rang und Namen erwarben. (Daß da vereinzelt auch HipHop-Acts dabei sind, steht noch auf einem anderen Blatt, hat aber nie etwas daran geändert, daß Lollapalooza ein Fest für das jugendliche, weiße Amerika ist.)

Farells Band war früher Jane's Addiction, jetzt Porno For Pyros. „Good God's Urge“ ist deren zweites Album, und es versammelt die Spleens und Verrücktheiten, für die Farell, wiewohl eiskalter Geschäftsmann, ebenfalls bekannt ist: Feuer schlucken, Schlangen beschwören, Alice Cooper sein, nackte Frauen in Käfigen tanzen lassen.

Umgesetzt in Sounds bedeutet das Spirenzchen wie zitternde Trompeten, tackernde Klarinetten, zirpende Harfen, Weltmusiksamples; aber auch die Hilfe von Mike Watt (Ex-fIREHOSE) oder Flea (von den Chili Peppers). In „Good God's Urge“ kann man sich verlieren wie in einem Labyrinth, so verschlungen sind die Rhymes und Paths, auf denen Farell travelt, und obwohl die Länge des Albums nur 38 Minuten beträgt, kann man sich ohne Probleme einem Gefühl der Schwere- und Zeitlosigkeit hingeben. Mit seinem extrem dünnen, eunuchoiden Stimmchen leiert Farell durch die Songs — mitunter aber berückend schön. „100 Ways“, „Tahitian Moon“ und „Kimberly Austin“ sind hier die Favoriten.

Spinnige Musik für die späteren Freaks unter den Kids — bloß der Blick in den Rest der Welt hat leider das Niveau folgender Zeilen: „Bali in my eyes, my skin turned the color of the earth, I felt like a tree“.

Für Biohazard dagegen ist ihre Heimat Brooklyn Aura, Antrieb, Allgegenwart — und der Ort, an dem man auf den Tod wartet (Songtitel): „narcotic, drug infested, electric, schizophrenic, homelessness lingers all around, rape, death, sickness, AIDS, leprosy“, etc. etc. pp.

Dementsprechend ist ihr Sound, nun ja, hart und kompromißlos, entbehrt jeglichen Humors oder anderer Schleifen (kein Wunder oder was?). Man darf auch Hardcore dazu sagen — vom Sprechgesang ihres Frontmannes Evan Seinfield her oft nah am HipHop gebaut (Brooklyn!), nicht weit auch vom allseits beliebten Crossover, der hier allerdings seine politisch korrekten Weihen bekommt.

„Mata Leao“ ist ihr viertes Album, und von seinen Vorgängern unterscheidet es sich durch das Fehlen des angestammten Leadgitarristen, mehr noch aber durch einige unübliche, gemeinschaftsstiftende Hooks, durch manche einnehmende, von der Restband gegrölte Refrains, die an die Brüder von Dog Eat Dog erinnern: „and no fronts, no guns, we kick this just for fun“. Das ist ja schon was, auch wenn Peacefulness und Fröhlichkeit nicht unbedingt Biohazards Sache sind.

Und Soundgarden? Die sangen früher „Sub Pop Rock City“, waren die typische aus Seattle stammende Grungeband: lange Haare, lässiges Auftreten, Gitarren. Obwohl sich ihr Sound eigentlich mehr von den Polen Metal und Hardrock nährte und ihre Videos auf MTV meist in der Sendung für den Metaller in dir liefen, in Headbanger's Ball. Doch damit ließ es sich auch gut durchstarten, die Käuferschichten von Soundgarden lappten weit hinein auch in die Welt der Biker, Nietenträger und Easy Rider. Dann kam „Black Hole Sun“, die Ballade, mit der sich selbst der amerikanische (oder europäische) Hausmann identifizieren konnte.

Und jetzt halt „Down On The Upside“, der nächste Megaseller in spe, der auf achtundsechzig Minuten die ganze Palette ausbreitet: straighter Rock, sämiger Rock, Metalrock, Schlumpfrock und Gefühlsrock. Einen fixen, fast punkmäßigen Song gibt es übrigens auch: „Ty Cobb“, ein leichter und entspannter Song, den man sonst nicht kennt von Soundgarden.

Um die Klammer jetzt noch ein wenig fester zu zurren: Den Erwartungshaltungen von Fans (und Plattenfirma natürlich) haben alle drei Bands bestens entsprochen: kein Abweichen von der Ideallinie, keine Traute mal ein „In Utero“ in die Karriere einzustreuen – oder den totalen Kitsch.

Sieht man mal von der (gewohnten) Verspieltheit von Porno For Pyros ab, ist das Plattenmachen hier dasselbe, wie von acht bis vier alte Leute gesund machen (wollen), oder mit Aktentasche tagein, tagaus ins Büro gehen. Routine. Können die machen, bis sie alt und grau sind. Ist halt professionell. Fortsetzung folgt. Gerrit Bartels

Porno For Pyros: „Good God's Urge“ (Wea)

Biohazard: „Mata Leao“ (Wea)

Soundgarden: „Down On The Upside“ (A&M/Polydor)