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Ein Berliner Elvis geht zu Bolle...

Hier kann everyone be a star: Am Donnerstag abend gab's wieder mal Poetry Slam im Ex und Pop – als Wettbewerb, mit einem frischgebackenen Brownie für den Gewinner (Claudius!)  ■ Von Annette Weber

Während langsam die Hitze des Tages in die Nacht hineindämmert, beginnt sich das Ex und Pop zu füllen. Die altgediente Untergroundkneipe aus Westberliner Zeiten in der Mansteinstraße hat ihre harte Drogenphase hinter sich, überlebt, Therapie gemacht und das Theater als Ausdrucksform für die Schwierigkeiten des Alltagslebens entdeckt. In diesem Zusammenhang kam es zu einem interessanten Kulturtransfer: Der aus New York stammende Poetry Slam, der die Sprache als Waffe gegen totale Entfremdung und den Horror des alltäglichen Lebens wiederentdeckt und -angeeignet hat, wurde nach Berlin, ins Ex und Pop geholt.

Seit einigen Jahren werden regelmäßig Poetry Slams veranstaltet, und alles war ein großer Spaß, bis die Medien sich dazugeschaltet hatten: Das Fernsehen kam, und der Spiegel hypte, das Ex und Pop war zu jedem Slam rammelvoll, und die „Nachtschwärmer“-Voyeure wollten nur noch möglichst krasse Show. Wolfgang Hogekamp, Organisator der Slams und selber schreiberisch aktiv, erzählt von dem Konflikt zwischen aufgeputschtem Publikum, das nur noch Entertainment haben wollte, und dem „Künstler“, der die poetische Kraft des „spoken word“ nicht so billig an den launischen Alkoholrausch der Zuhörer verkaufen wollte. Nach einer längeren Pause wird nun wieder geslamt.

Rik Maverik kommt auf die Bühne. Auf seinem T-Shirt steht „Vulva Riot“. Später wird er zu unklaren Demonstrationszwecken – „that's nothing, that's easy, man“ – seine Hose ausziehen, um Totenkopf-Boxershorts zum Vorschein kommen zu lassen. Der spoken- word-poet ist zugleich Moderator des Abends, mit dem alltagspoetischen Sound des Amerikanischen verbreitet er eine groovy Atmosphäre und gibt der improvisierten Veranstaltung gleichzeitig einen lustig-öffiziösen Rahmen.

Der Slam wird – wie etwa auch in Klagenfurt demnächst wieder – als Wettbewerb ausgetragen; der Gewinner bekommt ein Stück frischgebackenen Brownie. Die Vorbereitungen beginnen, die Jury wird vorgestellt: „Miss Soroa (?) from Tokyo, Petra Schmidt from Schöneberg, the beautiful Jutta and Jana, whose birthday will be at midnight“. Der Chor der jungen Mädchen installiert sich auf ihren Plätzen, auf der Theke links von der Bühne, gut gelaunt mit ihren Jury-Karten in der Luft wedelnd.

Die Bewertungsskala geht von „1“ – „real shit“ – bis „9“ – „like birth a baby“. Obwohl immer wieder dazu aufgefordert wird, jetzt sofort auf die Bühne zu kommen und loszulegen, sind die vorgetragenen Stücke alle vorbereitet. Robert Weber, ein zierlicher kleiner Mann, schraubt am Mikro rum, zieht es schließlich nach unten und spricht dann konzentriert leise frei aus der Hocke seine Geschichte um das Verspeisen eines selbstzufriedenen Intellektuellen zur Strafe für dessen dumpf-sexistische Gedankenwelt („Weib, das einzige, für was du gut bist, da zwischen deinen Beinen“).

Dagegen der recht korpulente Rosa. Mit Körper und Stimme füllt er erst mal den Bühnenraum aus, bevor schließlich doch noch ein Gedicht kommt. Rosa wollte heute eigentlich in der Jury sitzen, da er bei seinen letzten beiden Auftritten massiv daran gehindert wurde, seine Stücke vorzutragen. Was er als „slam-poetisch, eben wie das Wort ,slam‘ sagt, schlagend, hart“ bezeichnet, fanden Zuhörerinnen sexistisch. Da aber sein weiblicher Name allein nicht ausreichte, ihn in den Chor der jungen Mädchen aufzunehmen, hat er dann doch noch schnell im Hinterzimmer ein Gedicht geschrieben. Titel: „Sneak Poetry“, Bewertung der Jury: 8-8-5-4 und damit führend.

Gewinner des Abends aber ist schließlich der noch ganz junge Claudius Hagemeister mit den „Hawaiischen Damen vom Hansaplatz“. Ein Berliner Elvis geht zu Bolle, kauft Bier, setzt sich auf eine Bank am Hansaplatz und träumt sich zum toten, richtigen Elvis nach Hawaii. Moderator Rik Maverik schließt den Abend: „Remember, everyone can be a star in the Ex and Pop.“

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