: Geschlechterkrieg im Namen der Hose
Zeichen für den Kampf um den Mann oder die Vorherrschaft in der Ehe – Sigrid Metken untersucht in „Der Kampf um die Hose“ das Beinkleid als Symbol ■ Von Christiane Haas
In den meisten Symbollexika findet sich unter dem Stichwort „Hose“ kein Eintrag. Und das, obwohl die Hose als „Zankapfel der Geschlechter“ vom Mittelalter bis weit ins 19. Jahrhundert zu den beliebtesten Metaphern zählte. Für die Volkskundlerin Sigrid Metken liegt der Grund dafür auf der Hand: Der Hose haftet etwas Anrüchiges an. Sie war zu unfein, um erwähnt zu werden.
Mit großer Aufmerksamkeit für die vielen, oftmals amüsanten Details rekonstruiert Metken die Geschichte des Symbols Hose im europäischen Raum. Sie verfolgt dabei die Entwicklung zweier sehr unterschiedlicher Motivstränge: Auf der einen Seite Darstellungen des Streits zwischen Mann und Frau um die Vorherrschaft in der Ehe. Es geht buchstäblich darum, wer im Hause die „Hosen anhat“. Auf der anderen Seite Abbildungen, in denen mehrere Frauen um das männliche Bekleidungsstück kämpfen. Hier müssen sich die Frauen bei ihrer Suche nach einem Gatten erst einmal der weiblichen Konkurrenz entledigen. „Sieben Weiber kämpfen um eines Mannes Bruch“ (= Hose) – so lautete die Redensart. Auf zahlreichen Karikaturen kämpfen Frauen mit Bügeleisen, Schlüsselbund oder Mehlschaufel um die Hose. Da sollte wohl nicht zuletzt die den Frauen zugeschriebene sexuelle Unersättlichkeit gegeißelt werden. Eine Reihe von Graphiken aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges verwiesen aber auch auf die akute Männerknappheit: Im Vordergrund prügeln sich die Frauen um die Hose, im Hintergrund liegen verstreut gefallene Krieger.
Symbol für die totale Entmachtung
Mit nüchternem Blick auf die Fakten erforscht Metken die Bedeutung des Symbols Hose, das nicht allein als Emblem für Herrschaft und Männlichkeit herhält. Am Bett eines Verstorbenen aufgehängt, bedeutet das Beinkleid schlicht den Tod. In einem anderen Bildzusammenhang liest sich die auf einem gegabelten Stecken als Trophäe zur Schau gestellte Hose als Kürzel für Liebesspiele – analog zu einem süddeutschen Tellerspruch: „Ach, wann ich doch an meinem Bette ein Paar Hosen hangen hätte!“ Auch wenn die manchmal nur angedeuteten, manchmal handfest ausgetragenen Kämpfe um die Hose vordergründig vor allem der Belustigung dienen: Es ist ihnen durchaus ernst mit ihrem Sujet. Die oft von derbem Humor geprägten Bilder und Texte verbergen die hinter ihnen lauernden Ängste vor Machteinbuße und Chaos nur mühsam. Die Darstellung einiger Hexen im Buch zweier Dominikanermönche treibt die symbolische Hosenschlacht auf die Spitze: Von schaurigen Requisiten umgeben vollführen drei Hexen ihren dunklen Zauber. Eine von ihnen hält einen Stecken mit einer wie eine Fahne im Wind flatternden Hose – Symbol für den Wunsch nach totaler Entmachtung des männlichen Geschlechts.
Im Unterschied zu anderen europäischen Ländern gehen die Frauen in Deutschland häufig als Sieger aus dem symbolischen Hosenkampf hervor. Einige Bilder zeigen, wie sich die Frauen zum Zeichen ihres Triumphes die Hosen von ihren Männern sogar noch anziehen lassen – als erhoffte man sich von der Darstellung der größten Demütigung des Mannes die nachhaltigste Wirkung. Die Botschaft der spottenden Zeichner und Dichter diente besonders hierzulande der Belehrung: Die Darstellung des Kampfs um die Hose sollte lüsterne, herrschsüchtige Frauen, aber auch geile Bauern brandmarken und Ehemänner dazu bewegen, sich von vornherein ihrer Macht zu versichern. Und noch eine regionale Besonderheit bemerkt Metken in ihrer Sammlung: Während im Norden munter geprügelt werden darf, streiten die Beteiligten sich in südlicheren Regionen eher verbal um die Hose. Zufall? Oder Beleg für die barbarischen Sitten der Germanen?
Endlich erlöst von demütigenden Röcken
Aber warum konnte die Hose in westlichen Kulturen überhaupt zu einem so bedeutenden Symbol werden? Sicher spielte die kindliche Sozialisation dabei eine entscheidende Rolle: Trugen doch Mädchen wie Jungen bis in unser Jahrhundert hinein in ihren ersten Jahren – vor allem aus hygienischen Gründen – Röcke, Kittel und Kleider. Welch ein Ereignis im Leben des heranwachsenden Knaben, wenn er seine erste Hose bekam! Metken zitiert Elias Canetti, der in „Die gerettete Zunge“ berichtet, wie sehr er diesen Moment herbeisehnte. Schriftsteller schildern lebhaft ihre Erinnerung an das zuweilen im Kreise der Verwandtschaft mit feierlicher Vorführung des neuen Kleidungsstücks und gutem Essen begangene „Fest der Behosung“. Endlich waren sie von den demütigenden Mädchenkleidern erlöst!
Hier ließen sich einige theoretische Überlegungen zur Konstruktion des sozialen Geschlechts anstellen, die in der feministischen Forschung eine wichtige Rolle spielen, aber auf diesen Diskurs verzichtet Metken. Im Vorwort beschreibt sie in knappen Worten die Motivation für ihr Buch: „Es lohnt sich, die Geschichte dieses tyrannischen Emblems aufzuschreiben, festigte es doch Vorstellungswelten und Denkschablonen, die einer Partnerschaft der Geschlechter im Wege standen.“ Angenehmerweise fehlt Metken jener kämpferische Duktus, der einen Teil der Literatur über das Verhältnis zwischen den Geschlechtern durchzieht. Ein leichter ironischer Unterton und kein Holzhammer: Sie begegnet dem „Kampf um die Hose“ mit der Gelassenheit, die das Thema verlangt. Denn ihre Analyse zeigt, wie der bis in unser Jahrhundert hineinreichende Topos des Geschlechterstreits die Problematik bei der Verteilung der Macht im Hause immer wieder auf ein Entweder-Oder reduziert: Entweder der Mann beherrscht die Frau, oder die Frau beherrscht den Mann. Die Polarisierung zementiert die herrschende Ordnung. Die Möglichkeit, die Macht untereinander aufzuteilen, wird mit Zank und Zwietracht assoziiert und nicht näher erwogen.
Sigrid Metkens Konsequenz aus diesen Befunden ist ein eher aufklärerisches als feministisches Engagement. Ob sie den Kampf um die Hose in den lustig-derben Erzählungen des mittelalterlichen Frankreichs, den sogenannten Fabliaux aufspürt, in italienischen Novellen, deutschen Reimgedichten und Fastnachtspielen, in Buchmalereien, Chorgestühlschnitzereien oder in der populären Druckgraphik – immer vermittelt sie ihren Leserinnen und Lesern vor allem das genaue Hinsehen. Lebendig und präzise beschreibt sie – verständlich auch für den unkundigen Laien – die hochgradig symbolische Sprache mittelalterlicher Bilder. Hier beweist die ausstellungserfahrene Volkskundlerin viel Gespür für die Bedürfnisse ihrer Leser. Ohne den Besen zu schwingen, leistet sie einen interessanten Beitrag zur feministischen und kulturgeschichtlichen Forschung und liefert das historische Unterfutter für eine Entwicklung, die um 1800 einsetzt. Um diese Zeit beginnen die Frauen, wie Gundula Wolter 1994 in „Hosen, weiblich“ sehr anschaulich beschrieb, ihr Recht auf die Hose zu erobern.
Sigrid Metken: „Der Kampf um die Hose. Geschlechterstreit und die Macht im Haus. Die Geschichte eines Symbols“. Campus Verlag Frankfurt/New York 1996. 141 S., 88 Abb., geb. 68 DM.
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