piwik no script img

Des Teufels Ehrenrunde

■ Baden-Württembergs Ministerpräsident wird wegen abtrünniger CDU-Politiker erst im 2. Wahlgang gewählt

Freiburg/Stuttgart (taz) – Armer Teufel. So hatte er sich die Rückkehr an die Spitze der Stuttgarter Regierung wohl nicht vorgestellt. Erst im zweiten Wahlgang erhielt Erwin Teufel gestern die notwendige Stimmenmehrheit des baden-württembergischen Landtags. Jetzt ist er zwar wieder Ministerpräsident des Südweststaates, doch gleichzeitig bereits ziemlich ramponiert.

Als gestern um halb zwölf das Ergebnis des ersten Wahlganges bekannt gegeben wurde, herrschte – je nach Parteizugehörigkeit – blankes Entsetzen oder aber abgrundtiefe Verwunderung. Nur 77 von 175 Abgeordneten hatten für Erwin Teufel gestimmt. Eine Stimme fehlte. Damit war der Schwabe erst einmal durchgefallen und das, obwohl die Koalition aus Union und Liberalen im Landtag über 83 Stimmen verfügte. Das Erstaunen war so groß, daß sich selbst bei der Opposition keine Hand zum Beifall regte.

Besonders peinlich für Teufel, die fehlenden Stimmen kamen offensichtlich aus der CDU. Die Liberalen jedenfalls schwörten Stein und Bein, daß ihre 14 Abgeordneten für den 56jährigen CDU-Vorsitzenden gestimmt hätten – und das, obwohl die FDP bei den Koalitionsvereinbarungen kaum Punkte gemacht hatte.

Nach einer kurzen Unterbrechung der Sitzung beantragte der sozialdemokratische Fraktionschef Ulrich Maurer das Wahlverfahren abzubrechen: „Erwin Teufel ist irreparabel beschädigt. Die CDU sollte jetzt besser einen wählbaren Kandidaten suchen, der auch das Vertrauen seiner Fraktion besitzt.“ Grüne und Republikaner stimmten diesem Antrag der SPD begeistert zu. Doch inzwischen stand die schwarz-gelbe Koalition längst schon wieder.

Der zweite Wahlgang folgte auf dem Fuß. Diesmal erzielte Teufel 81 Stimmen. Und damit war er gewählt. Auch wenn wieder zwei Christdemokraten gegen ihn stimmten. CDU-Generalsekretär Volker Kauder sprach von einem „Skandal“, die Partei sei von der Fraktion „enttäuscht“.

Schon seit Tagen hatte man ein vernehmliches Murren aus den Reihen der christdemokratischen Fraktion vernehmen können. Altverdiente Staatssekretäre wie Ludger Reddemann und Gundolf Fleischer hatten sich Chancen ausgerechnet, in der neuen schwarz-gelben Regierungsmannschaft wieder Fuß fassen zu können, nachdem sie im vierjährigen Intermezzo der großen Koalition zu einfachen Abgeordneten zurückgestuft worden waren.

Statt dessen wurde mit Gerdi Staiblin eine völlig unbekannte Frau zur Landwirtschaftsministerin gekürt. Einzige Referenz der Winzerin: Sie war Vizepräsidentin des deutschen Landfrauenverbandes. „Als Landtagsabgeordneter hat man unter Teufel offensichtlich keine Chance mehr, Minister zu werden“, kommentierten christdemokratische Insider bitter. Schon bei der Wahl seiner Kultusministerin hatte Teufel vor zwei Jahren mit der katholischen Funktionärin Annette Schavan eine Außenseiterin berufen. Eine Korrektur der Kabinettsliste nach dem ersten Wahlgang kam jedoch für Teufel nicht in Frage. „Da wäre er noch mehr beschädigt worden“, erklärte der Freiburger CDU-Kreisvorsitzende Peter Weiß. Auch mit einem Rückzieher Erwin Teufels rechnete niemand ernsthaft. „Da ist der doch viel zu stur dazu“, hieß es bei Landtagskollegen.

Außerdem: Wer hätte dann Ministerpräsident werden sollen? Der natürliche Nachfolger, Fraktionschef Günther Oettinger war durch die Wahlschlappe genauso in Mitleidenschaft gezogen wie Erwin Teufel selbst.

Schließlich hatte er in den zurückliegenden Tagen noch mit allen potentiellen Abweichlern das Gespräch gesucht. Fritz Kuhn von den Bündnisgrünen sah daher einen „eklatanten Mangel an politischer Führung“ in der CDU.

Sein Fraktionssprecher Rudi Hoogvliet sah die Schlappe der Union auch als peinliches Signal für die politische Kultur im „Ländle“: „Offensichtlich ist bei der CDU die Bedienung von Parteiseilschaften wichtiger als die Qualität von Ministern und Ministerinnen.“

Interessantes Detail am Rande: Auf die Stimmen der Republikaner im Landtag hätte Erwin Teufel nicht hoffen können. „Wer es als eine seiner wichtigsten Aufgaben ansieht, unsere Partei aus dem Landtag zu ,vertreiben‘, hat von uns keine Wahlhilfe zu erwarten“, erklärte der Sprecher der Republikaner, Karl-Heinz Motzke. Christian Rath

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen