: „Soweit darf Freiheit nicht gehen“
■ Elternratsvorsitzende der Hamburger Gymnasien lehnen Schulgesetz-Entwurf ab / „Dramatisches Sparpotential“ befürchtet Von Kaija Kutter
Im Streit um ein neues Schulgesetz sind die Fronten klar. Nachdem vorige Woche die CDU-Politikerin Ingeborg Knipper das Reformvorhaben von Schulsenatorin Rosemarie Raab (SPD) geißelte, übte gestern Arend Wiebe von der Arbeitsgemeinschaft der Elternratsvorsitzenden der Hamburger Gymnasien massive Kritik. Sein Fazit: „Die Mehrheit der Eltern an Gymnasien lehnt diesen Entwurf ab“.
Denn unter dem Deckmantel „mehrheitsfähiger Ziele wie Integration und Autonomie“ ginge es in Wahrheit um eine Reduktion des Schulwesens auf das „angeblich finanziell Machbare“. Nicht die Schulsenatorin, so Wiebe, sondern der Finanzsenator bestimme künftig die Schulpolitik.
So leite sich der Anspruch auf Unterricht künftig nicht mehr von der gesetzlich festgelegten Stundentafel, sondern auch von den „personellen, sächlichen und fachspezifischen Möglichkeiten“ einer Schule ab. „Künftig müssen wir Kunst statt Musik unterrichten, weil es nur Kunstlehrer gibt“, befürchtet der Bergedorfer Rektor Hans-Heinrich Henk, der gestern zusammen mit DL-Sprecher Reinhard Behrens in Namen der Initiative „Aktiv für Gymnasien“ ebenfalls das Wort ergriff. Weiteres Indiz für ein verkapptes Spargesetz sei Paragraph 56, der besagt, daß „zur Erreichung wirtschaftlicher Lösungen“ ganze Klassen zusammengelegt werden könnten. Ein „dramatisches Sparpotential“ fürchtet Wiebe durch die Absicht, die Teilnahme von „geeigneten Personen“ ohne pädagogische Ausbildung am Unterricht zu erlauben.
Auch die künftige Rolle der Lehrer wurde moniert. Wenn Eltern und Schüler über die Schulkonferenz mitbestimmen können, ob die Stundentafel verändert wird, werde es „Chaos geben“, fürchtet Henk: „Dann bestimmen Schüler, was gelernt wird. Soweit darf Freiheit nicht gehen“. Eine Mißachtung der Kompetenzen von Lehrern sieht der Bergedorfer Rektor auch in der Idee, bei Disziplinarfragen einen Vermittlungsausschuß einzuberufen, dem auch Schüler angehören.
Ginge es nach den Kritikern, so bräuchte Hamburg gar kein neues Schulgesetz. Reinhard Behrens: „An den Schulen gibt es Unmassen von neuen Entwicklungen. Offenbar ist auch das alte Gesetz ein beweglicher Rahmen.“ Selbst an einem Abbau von Schulbehördenhierarchie sei keinem gelegen. Behrens: „Wir werden nicht gegängelt“. Im Gegenteil wünscht er sich dringend die Wiederbesetzung der seit Mai vakanten Stelle der Oberschulleiterin für Gymnasien. Auch das Vorgehen der Senatorin, ihren Entwurf an die Schulen zu geben, schmeckt den dreien nicht. Henk: „Man hätte erst eine Expertenrunde bilden sollen, die das alte Gesetz verbessert und die Betroffenen befragt“.
„Der Entwurf ist eine Chance zur Veränderung der überholten Schule“, findet hingegen die Vertreterin der Gesamtschul-Elternräte, Barbara Beutner. Ein Statement werde es erst im Februar geben. Man wolle die Diskussion sorgfältig führen und nicht in „diese pauschale Anti-Haltung einstimmen“. „Ein Diskussionsentwurf soll diskutiert werden, das ist gut so“, meint Behördensprecher Ulrich Vieluf. Die Kritik der Gymnasial-Lobbyisten aber trage zur „Ideologisierung der Diskussion“ bei und arbeite mit „Falschinterpretationen und böswilligen Unterstellungen“. Vieluf: „Wäre dies die Interpretation eines Textes durch die Schüler eines Gymnasiums, so würde diese Arbeit in der unteren Skala der Notenbewertung stehen.“
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