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Einzig Größe und Gewicht

■ Nicht Können entscheidet beim Ratsherrn-Cup, Kilo und Zentimeter sind wichtig / HSV und Pauli können schon vorher einpacken Von Rainer Schäfer

Wer bislang meinte, über Hallenfußball Bescheid zu wissen, hat sich beim Winterpausenüberbrückungs-Notsport arg getäuscht. Ein böses Vorurteil ist es, daß Hallenfußball eine ABM-Maßnahme für die Orthopädenzunft sei und eine größere Verletzungsgefahr berge als der Rasen-Kick. Das behaupten zumindest die meisten Bundesliga-Mannschaftsärzte und auch der Hamburger Chirurg Küchlin (siehe nebenstehendes Interview).

Damit nicht genug. Sport-Bild befördert in ihrer jüngsten Ausgabe einen anderen zähen Irrglauben in die Mythen-Rumpelkammer: Ein Hallenkicker spiele umso besser, je kleiner er sei. Dieses Pauschal-Gesabbel mußte Fakten weichen, wie der ideale Hallenspieler gewachsen sein soll: Zwischen 175 und 179 Zentimeter hoch und 73 bis 78 Kilo schwer hat er zu sein. Alles Mumpitz, gebietet der Fußball-Fachverstand. Mitnichten, versichert auch der 49jährige Küchlin.

Wenn dem so ist, muß man sich fragen, wie HSV und St. Pauli beim 9. Ratsherrn-Cup bestehen wollen, der morgen ab 14 Uhr und Sonntag ab 13 Uhr in der ausverkauften Alsterdorfer Sporthalle ausgetragen wird. Beim HSV verfügt einzig der dänische Dauer-Reservist Stig Töfting (175 Zentimeter, 75 Kilo) über die bestmögliche physische Beschaffenheit. Schade, daß er keine Freigabe besitzt. Seien wir deshalb bei Stefan Schnoor (180/75) großzügig und betrachten ihn trotz eines Zentimeterchens Übergröße als nahezu geeignet. Der außerordentlich wendige Harald Spörl (170/70) könnte eventuell mit speziellen Plateau-Hallenschuhen auflaufen. Dem Rest helfen auch keine Streckbänke oder Schrumpfbäder mehr: Letschkow urlaubt, Bäron, Hubtschew, Ivanauskas und Andersen sind malade. Unser Rat: abmelden!

Beim FC St. Pauli sieht es unwesentlich besser aus: Nur Bernd Hollerbach (179/78) und Martin Driller (179/75) sind wie geschaffen für das Hallenspiel. Bei Andreas Mayer (180/74) und Niclas Weiland (178/71) sollte man wie im Falle Schnoor generös über minimale Abweichungen hinwegsehen. Ansonsten muß Trainer Uli Maslo der Teufel geritten haben: Was hat er sich bloß dabei gedacht, als er Dirk Dammann (gleich elf Zentimeter Übergröße!), Leo Manzi (+8/+3) und Oliver Schweißing (+9/0) nominierte? Und das Kunstrasen-Vertrauen zu André Trulsen (maßlos: 191/85!) muß aus tiefster Not geboren worden sein. Im Tor wird anstelle des verletzten Hallenspezialisten Mathias Jahnke (klein und dicklich) der hochaufgeschossene Amateur-Keeper Kim Seidler stehen. So wird das doch nichts.

Warum die restlichen Teilnehmer (Gladbach, 1860 München, Levski Sofia, Titelverteidiger Spartak Moskau, IFK Norrköping und ein noch nicht ermittelter Amateurverein) anreisen, bleibt ebenfalls unergründlich. Sicher, es stehen partiell namhafte Akteure in deren Reihen. Norrköping soll zwölfmaliger schwedischer Meister sein, neun aktuelle Nationalspieler bringt Sofia mit, die russischen Sputniks gelten als Hallen-Spezialisten. Aber welchen Bestand haben letztlich Namen, wenn der Erfolg von meßbaren physischen Werten abhängt?

Drum der taz-Vorschlag: Statt die Spieler das unnötige Risiko eingehen zu lassen, sich eventuell doch in der Halle zu zerren, wird morgen ab zehn Uhr der Sieger in der Chemnitzstraße 78 bis 80 ausgewogen und vermessen. Fair geht schließlich vor.

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