Heimaturlaub in der Ferne

■ Diepgen plädiert angesichts der leeren Kassen für "Heimaturlaub" und fährt selbst nach Amerika. Seltsamerweise folgen die meisten Brandenburger Politiker seinem Rat

Die Disziplin in der Landesregierung läßt zu wünschen übrig. Denn die SenatorInnen ignorieren ungeniert die „Sparvorgaben“ des Regierenden Bürgermeisters Eberhard Diepgen für die Sommerferien. Unter der Überschrift „Warum in die Ferne schweifen“ hat sich Diepgen Anfang der Woche in einem Kommentar im Berliner Kurier ein Wald-und-Wiesen- Programm ausgedacht, mit dem man trotz der angespannten Haushaltslage schöne Ferien machen kann.

Wegen der „Ebbe in den Kassen“ rät der Regierungschef, „dies als Chance zu nutzen, einmal Berlin und Umgebung besser als bisher zu entdecken“: „Daß Naherholung auch erlebnisreich ist, kann jeder auf einer Dampferfahrt über die Berliner Seen oder auch auf den Kanälen mitten in der Stadt erleben.“ Die SenatorInnen allerdings zieht es bis auf wenige Ausnahmen gaaanz weit weg: Wirtschaftssenator Elmar Pieroth (CDU) fährt mit seinem Wohnmobil in die Bretagne, Innensenator Jörg Schönbohm (CDU) freut sich auf einen Wagenburg- äh, Sandburgurlaub bei Venedig, Gesundheitssenatorin Beate Hübner (CDU) hat sich in Ungarn für einen Akupunktur-Kurs eingeschrieben, Arbeitssenatorin Christine Bergmann (SPD) fährt in die Schweiz, und Schulsenatorin Ingrid Stahmer (SPD) wandert zum 17. Mal in Niederösterreich. Einzig Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing (SPD) und Wissenschaftssenator Peter Radunski (CDU) halten sich an Diepgens „Sparurlaub“. Fugmann-Heesing wird Umzugskartons schleppen, und Radunski pirscht sich in Brandenburg an Fontane heran. Das härteste Los trifft Justizsenatorin Lore Maria Peschel-Gutzeit: Sie muß als „Stallwache“ dafür sorgen, daß der Regierungsladen läuft.

Das Pikante an Diepgens „Heimaturlaub“-Kommentar: Er selbst sucht das Weite und fährt vier Wochen nach Amerika – fernab vom Stechlin, Templin oder dem Oderbruch. „Da ist eine Panne passiert“, gesteht Diepgens persönlicher Referent, Stefan Siebner. Der Kommentarschreiber habe anscheinend nicht gewußt, daß Diepgen ausnahmsweise nicht nach Fehmarn fährt.

Trotz gescheiterter Länderehe folgen seltsamerweise die meisten Mitglieder der Brandenburger Landesregierung Diepgens Appell. Innenminister Alwin Ziel (SPD) will im heimischen Brandenburg und auf seiner Datsche in Mecklenburg-Vorpommern ausspannen und endlich mal richtig dicke Fische fangen. Justizminister Hans-Otto Bräutigam (parteilos) und Bauminister Hartmut Meyer (SPD) wandern in Bayern bzw. Österreich.

Sehr ressortnah wird auch Brandenburgs Landwirtschaftsminister Edwin Zimmermann (SPD) seinen Urlaub verbringen: als Erntehelfer auf dem eigenen Hof. Während Bildungsministerin Angelika Peter (SPD) mit Wohnwagen und Mann durch die Uckermark zieht, fällt nur Sozialministerin Regine Hildebrandt (SPD) aus der Rolle. Die Frau mit der großen Klappe fährt nach Großbritannien. Barbara Bollwahn