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Rechtsfreier Raum auf dem Höltigbaum

■ Das Schicksal des Landschaftsschutzgebietes wird immer ungewisser Von Vera Stadie

Uwe Schneider wünscht sich die Soldaten zurück. Seit die Bundeswehr ihren Übungsplatz Höltigbaum in Rahlstedt vor vier Jahren verlassen hat, gehe es dort „den Bach runter“, klagt der Naturschützer vom Verein Jordsand, der zusammen mit dem Naturschutzbund (NABU) versucht, das 542 Hektar große Landschaftsschutzgebiet zu betreuen. Hamburg müsse so schnell wie möglich das gesamte Gebiet unter Naturschutz stellen.

Auf den Grasfluren und Knicks, in Wäldchen und Tümpeln des Höltigbaums leben bedrohte Tierarten wie Feldlerche und Rebhuhn, Zauneidechse und Moorfrosch. Allerdings, so berichten die Naturschützer aus leidvoller Erfahrung, brechen tagtäglich Reiter durch die Knicks, brettern Crashfahrer übers Gelände, verwüsten Motocrossfahrer die Landschaft, testen stolze Besitzer ihre neuen Geländewagen: „Dort herrscht das reine Chaos,“ beschwert sich Schneider.

Aber nicht nur die exzessive Freizeitgestaltung mancher Hamburger rückt der Natur auf dem Höltigbaum zu Leibe. „Wenn der Senat sich nicht ein bißchen beeilt, wird das Gebiet verkauft, bevor es unter Naturschutz gestellt ist“, befürchtet Schneider. Die Umweltschutzverbände haben kürzlich herausgefunden, daß es Kaufinteressenten gibt, darunter eine „Interessengemeinschaft Golf“.

Schleswig-Holstein habe bereits im März 1995 seinen Anteil am Höltigbaum für den Naturschutz sichergestellt. „In Hamburg hat sich nichts getan“, kritisiert Schneider. Hier wollen alle ein Wörtchen mitreden: Umwelt- und Stadtentwicklungsbehörde und nicht zuletzt Bürgermeister Voscherau. Der hattte der Kieler Landesregierung im März ein Angebot gemacht: Tausche Höltigbaum gegen ein Stück Schleswig-Holstein zwecks Wohnungsbau. Die Antwort habe „keine Ablehnung, aber auch keine Begeisterung“ signalisiert, so Senatssprecher Cord Schellenberg. Voscherau habe jetzt in einem weiteren Brief nach Kiel konkretisiert, er wolle „den Naturschutz am Höltigbaum und minderwertige, nicht schützenswerte Flächen dafür im Tausch“. Die Antwort steht aus.

NABU-Geschäftsführer Hans-Joachim Spitzenberger hält das für „einen Schuß ins Blaue“. Es sei klar, daß Schleswig-Holstein das nicht macht: „Voscherau und Stadt-entwicklungssenator Thomas Mirow wollen sich doch nur Flächen offen halten, wo sie später mal Gewerbe ansiedeln können.“

Umweltsenator Fritz Vahrenholt hingegen will den Höltigbaum vollständig unter Naturschutz stellen, betonte er gestern gegenüber der taz. Aber solange über das Tauschangebot des Bürgermeisters nicht entschieden sei, könne er nichts machen. Sein Kollege Mirow strebt derweil für 60 Prozent des Gebietes Naturschutz gemischt mit Freizeitnutzung und für den Rest die Option zum Bau von Wohnsiedlungen nach dem Jahr 2010, erklärt dessen Sprecher Bernd Meier.

Solange das amtliche Gerangel weitergeht, herrscht Faustrecht am Höltigbaum.

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