Kriegsverbrecher kriegt die Krise

■ Um internationale Sanktionen zu verhindern, tritt der bosnische Serbenführer Karadžić ein bißchen zurück

Sarajevo (AFP/taz) – Mit einem taktischen Schachzug hat die Führung der bosnischen Serben gestern versucht, drohende internationale Sanktionen abzuwenden. Radovan Karadžić übertrug seine Vollmachten als Präsident der serbischen Republik in Bosnien seiner Stellvertreterin Biljana Plavsić. Ein entsprechendes offizielles Dokument sei ihm übergeben worden, sagte der internationale Beauftragte für den Wiederaufbau in Bosnien, Carl Bildt, in Sarajevo. „Das Dokument ist von Karadžić unterzeichnet. Es tritt von heute an in Kraft. Es gibt keinerlei Bedingungen, die daran geknüpft sind.“

Plavsić stellte ihrerseits in Pale klar, daß sie nur Interimspräsidentin sei. Offiziell bleibe Karadžić bis zu den Wahlen im September Präsident der bosnischen Serben. Bildt hatte mit der Wiederverhängung der Sanktionen gedroht, wenn Karadžić nicht bis Montag zurücktrete.

Bildt zufolge darf Karadžić ab sofort in keiner Form als Präsident auftreten oder entsprechende Macht ausüben. Dies sei ein Erfolg, aber auf keinen Fall der letzte Schritt. „Es gibt keinen Zweifel, daß Karadžić seinen Einfluß weiterhin auf unterschiedliche Art ausüben wird. Er wird seinen schon verlorenen Kampf weiterfechten.“ Karadžić dürfe, so Bildt, bei den Wahlen im September nicht kandidieren. Er müsse wegen Kriegsverbrechen festgenommen werden. Nach dem Dayton-Abkommen dürfen vor dem UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag Angeklagte keinerlei politische Ämter ausüben.

Der Gipfel der sieben wichtigsten Industrieländer (G 7) hatte zuvor in Lyon den Rücktritt des Serbenführers gefordert. Auch Rußland stand hinter der Bosnien- Erklärung. US-Präsident Bill Clinton hatte die Wiedereinführung von Sanktionen befürwortet, wenn mutmaßliche serbische Kriegsverbrecher nicht ausgeliefert würden. Zu der Frage, ob Serbien und den bosnischen Serben eine Frist gesetzt werden sollte, sagte er nach Abschluß des Gipfeltreffens, diese Frage werde sich „zur Zeit der Wahlen stellen“.

In der Erklärung des G-7-Gipfels heißt es, Karadžić müsse „umgehend und endgültig von allen öffentlichen Funktionen“ zurücktreten. „Alle vom internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien angeklagten Personen sollten zur Aburteilung vor dem Gerichtshof in Den Haag erscheinen.“ Alle Staaten und Gebietseinheiten seien verpflichtet, Maßnahmen zur Verhaftung angeklagter Personen zu ergreifen. Die Bekleidung öffentlicher Ämter durch angeklagte Kriegsverbrecher sowie die Kandidatur bei den Wahlen seien „offene Verstöße gegen das Friedensabkommen“.

In der Nacht zum Samstag war Karadžić in Pale mit 353 der 354 abgegebenen Stimmen in seinem Amt als Chef der Serbischen Demokratischen Partei (SDS) bestätigt worden. Das Direktorium der Partei wollte später über eine mögliche Kandidatur des bosnischen Serbenführers bei den Wahlen am 14. September entscheiden. Karadžić hatte angekündigt, er werde wieder antreten, wenn die serbische Republik in Bosnien nicht als eigener Staat anerkannt werde.

Der bosnische Regierungschef Hasan Muratović bezeichnete den Wechsel als „einen Trick“, mit dem die internationale Gemeinschaft wieder einmal zum Narren gehalten werde. „Plavsić handelt nur in Abstimmung mit Karadžić und folgt all seinen Anweisungen.“ Bundesaußenminister Klaus Kinkel warnte vor einer „Überbewertung“ des Rücktritts. Ein nur formaler Rücktritt reiche nicht aus. Karadžić gehöre „nicht ans politische Ruder, sondern vor das Tribunal nach Den Haag“. Der Chef der Mission der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) in Sarajevo, Robert Frowick, begrüßte Karadžić' Schritt.

gb Seiten 8 und 10