: Gregor Gysi muß erneut auf den Stasi-Prüfstand
■ Bundesverfassungsgericht lehnt Klage des PDS-Politikers gegen Überprüfung ab
Karlsruhe (taz) – Gregor Gysi muß sich einer erneuten Überprüfung seiner DDR-Vergangenheit stellen. Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe lehnte gestern eine Klage des PDS-Abgeordneten gegen das vom Bundestag gegen ihn eingeleitete Prüfverfahren ab. Die PDS ist über das Urteil dennoch nicht unglücklich, da ihrer Ansicht nach für den Abschlußbericht hohe Hürden aufgestellt wurden.
Das Prüfverfahren war vom Bundestag im Jahr 1992 eingeführt worden. In der letzten Wahlperiode ließen sich 314 Abgeordnete freiwillig überprüfen, in dieser Periode waren es immerhin noch 177 MandatsträgerInnen.
Während Gregor Gysi sich 1993 noch freiwillig überprüfen ließ, verweigerte er nach seinem Wiedereinzug in den Bundestag einen erneuten Stasi-Check. Er verwies darauf, daß er seit seiner Wahl in die Volkskammer bereits fünfmal durch die Gauck-Behörde überprüft wurde. Dennoch leitete der Bundestagsausschuß für Immunitätsprüfung gegen die PDS-Abgeordneten Gregor Gysi, Rolf Kutzmutz und Christa Luft Zwangsverfahren ein, weil konkrete Verdachtsmomente bestünden.
Das Verfassungsgericht entschied nun, daß mit den Überprüfungen zwar durchaus in Gysis Stellung als Abgeordneter eingegriffen werde. Das Verfahren sei jedoch angesichts der besonderen historischen Situation zulässig.
Für den Abschlußbericht stellt Karlsruhe allerdings klar: „Mutmaßungen sind dem Ausschuß verwehrt.“ Vor allem auf diese Passagen des Beschlusses bezieht sich PDS- Sprecher Jürgen Reents, wenn er von einem „Erfolg“ Gysis spricht. Diese Wertung ist durchaus plausibel, wenn man weiß, daß die Roten Roben in der letzten Wahlperiode schon einmal zugunsten Gysis intervenierten. Nachdem das Gericht mehrere Formulierungen des von Gysi angegriffenen damaligen Abschlußberichts als „problematisch“ beanstandet hatte, blieb dieser in der Schublade.
Im aktuellen Verfahren dürfte es ähnliche Streitigkeiten geben. Die Gauck-Behörde war im Mai 1995 in einem Gutachten zu dem Schluß gekommen, es habe eine langjährige Zusammenarbeit zwischen Gysi und der Stasi gegeben, obwohl der damalige Rechtsanwalt nicht als Inoffizieller Mitarbeiter geführt wurde. Nach Veröffentlichung des Gutachtens hatte Gysi hiergegen geklagt und vom Oberverwaltungsgericht Berlin die Auskunft erhalten, daß die fraglichen Passagen des Gutachtens lediglich „Werturteile“ und keine Tatsachenbehauptungen enthielten. Mit dem gegen Mutmaßungen gerichteten Diktum aus Karlsruhe im Rücken hat der Gauck-Bericht für Gysi wohl an Schrecken verloren. Christian Rath
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