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■ Gemeinnützig geil sein: Andreas Piper, der Erfinder des Nacktputzdienstes, hat den "Berliner Lust e. V." gegründet

Der Deutsche gründet ja gerne mal einen Verein, wenn die Interessengemeinschaft groß genug ist. Das weiß man ja. Und daß sich mit Sex immer wieder Kasse machen läßt, das weiß man auch. Der 27jährige Sozialpädagoge Andreas Piper ist einer, dem das gewaltig stinkt. „Ob KitKat-Club, Fetischparties oder ob ein neuer Pornoladen aufmacht“, so Piper, „im Grunde gibt es dabei doch immer einen Haufen Leute, die damit nur Kohle machen wollen.“

Unter dem Motto „Gemeinnützig geil“ hat sich Piper Anfang des Jahres mit ein paar Gleichgesinnten aus dem KitKat-Umfeld zusammengetan und einen Verein gegründet, der sich ausschließlich mit Sex beschäftigt. Der „Berliner Lust e. V.“ wirkt zwar bislang fast ausschließlich im Internet, bietet jedoch jedem, der über einen E-Mail-Anschluß verfügt, ein sexuell inspiriertes Programm und ein Forum für Ideen jeglicher Art. Alle Aktionen laufen natürlich auf Non-profit-Basis und sind nur der eigenen Lust dienlich.

Piper, der übrigens vor zwei Jahren schon den Nacktputzdienst erfunden hatte, traf auch mit der „Berliner Lust“ auf offene Gemüter. Über 60.000 Zugriffe im Monat können bereits verzeichnet werden. Vor allem wundert man sich über das rege Interesse in Japan: Man habe jetzt sogar eine Frau im Verein, die die Angebote ins Japanische übersetzt.

Kleineren Projektgruppen und überhaupt allen, die in Sachen Sex etwas zu bieten haben, werden hier E-Mail-Adressen und Speicherplatz gratis zur Verfügung gestellt. Es wird natürlich eine Talk-line geboten, in der umsonst Kleinanzeigen geschaltet werden können, eine „Cruising Area“, die den sexuell Umtriebigen mit den Party- updates versorgt, sowie das virtuelle Lifestyle-Magazin Lustfunk.

Das Herzstück der „Berliner Lust“ ist jedoch die Rubrik „Erotik in Kunst“, in die Künstler, Fotografen und andere Aktionisten ihre Ergüsse speisen können. Das Ergebnis monatelanger Sammelei ist übrigens noch bis Samstag in der Ausstellung „Archetypen der Lust“ im Mediensalon zu sehen. Die Ausstellung sei allgemein gut angenommen worden, freut sich Piper. Nur ein einziger äußerte sich enttäuscht: „Hier wird ja gar nicht gefickt!“

Doch selbst das wird sich ändern. Auf der Abschiedsparty der Ausstellung nämlich, die unter dem Titel „Porno Listening Lounge“ stattfinden soll: Im Keller des Mediensalons wird es ein kleines Pornostudio geben, in dem exhibitionistisch veranlagte Besucher ungeniert ihren Neigungen nachgehen und sich selbst als Pornostars inszenieren können. Das Ergebnis wird natürlich live in den Partyraum übertragen ...

„Lust und Aufklärung“ miteinander zu verbinden soll das Ziel des Vereins sein. „Natürlich sind wir nicht Dr. Sommer“, erklärt Drag-Queen Troja, deren skurrile Erotikabenteuer, die sie mit ihren „schrecklichen Schwestern“ Linda Pearl und Eya-Q-Lation inszeniert, der Szene hinlänglich bekannt sein. Der Verein bietet vielmehr ein Forum zum Austausch und Kennenlernen für Leute aller sexuellen Orientierungen. „Multisexuell“ lautet die Devise.

„Während es vor ein paar Jahren noch wichtig war, daß sich die Leute mit ihren verschiedenen sexuellen Vorlieben voneinander abgrenzten“, so Troja, „ist es mittlerweile an der Zeit, daß sich die verschiedenen Gruppen zusammentun und ihre Schubladen überwinden!“ Troja selbst geht mit gutem Beispiel voran, wenn sie als Domina mit ihrem maskierten Haustier namens Fuck, das übrigens von einem heterosexuellen Mann gespielt wird, in die Öffentlichkeit tritt. Auch wenn es auf den ersten Blick so aussieht – der S/M-Szene gehören die beiden keineswegs an. Troja sieht den Reiz des Spiels vielmehr in der nonverbalen Kommunikation, die von „Respekt und Zuneigung“ geprägt sei. „Ich versuche, auf die Bedürfnisse meines Haustieres einzugehen“, sagt sie, „denn wie sagt man doch gleich? Ist die Katze gesund, freut sich der Mensch.“

Nicht nur die sexuellen Neigungen der über 20 Mitglieder klaffen mitunter weit auseinander, sondern auch ihre Wünsche und Vorlieben für künftige Projekte. Während Andreas Piper von Lesungen und einem erotischen Online-Literaturteil träumt, den er gemeinsam mit der Neuen Gesellschaft für Literatur auf die Beine stellen will, hat Troja praxisnähere Bedürfnisse: „Und demnächst wollen wir eine richtige Orgie organisieren!“ Kirsten Niemann

Die „Porno Listening Party“ findet morgen, 23 Uhr, im Mediensalon, Schlesische Straße 32 statt. Eintritt 10 DM. Kontakt: http:// www.b-net.de/b-net/Lust oder jeden Dienstag, 18 Uhr, im Mediensalon.

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