piwik no script img

Warnung vor zu hoher Fehlbelegungabgabe

■ Wohnungsunternehmen fürchten Wegzug gutverdienender Mieter und Ghettobildung im sozialen Wohnungsbau

Die städtischen Wohnungsbaugesellschaften befürchten, daß die Sozialwohnungssiedlungen der Stadt ihre soziale Mischung verlieren und zu Ghettos verkommen können. Grund für diese Ängste ist die ab Januar kommenden Jahres geltende Erhöhung der Fehlbelegungsabgabe. Die „Strafmiete“ für Besserverdienende, deren Einkommen über der Grenze für einen Wohnberechtigungsschein liegt, soll künftig bis über 7 Mark je Quadratmeter betragen.

„Damit zahlen viele Mieter 15 bis 16 Mark Kaltmiete pro Quadratmeter“, sagt der Sprecher der städtischen Degewo, Reinhard Fuchs von Rabenau. „Für dieses Geld können sie auch eine Neubauwohnung im zweiten Förderweg anmieten“, fürchtet Fuchs von Rabenau um seine solventen Mieter. Und damit auch um das soziale Gleichgewicht in den Siedlungen. „Die Mieter, die dann nachziehen, sind alle unterhalb der Einkommensgrenze“, so von Rabenau. Schon vor einem halben Jahr hat die Degewo deshalb gefordert, die Mieter in der Autobahnüberbauung Schlangenbader Straße von der Fehlbelegungsabgabe zu befreien. Eine Forderung, der sich nun auch die Gesobau, der größte Vermieter im Märkischen Viertel, angeschlossen hat. Auch die GSW, Berlins größte städtische Wohnungsbaugesellschaft, sieht „natürlich das Problem“, sagt GSW- Sprecherin Beatrice Kindler. Statt die Fehlbelegungsabgabe in Frage zu stellen, setzt die GSW allerdings auf die Einführung der einkommensabhängigen Miete.

Jährlich zwanzig Millionen Mark Mehreinnahmen für die Landeskasse erhofft sich Bausenator Jürgen Klemann (CDU) von der Erhöhung der Fehlbelegungsabgabe, die im Zusammenhang mit den Sparbeschlüssen vereinbart wurde. Bislang galt bei der Fehlbelegungsabgabe eine Höchstgrenze von fünf Mark pro Quadratmeter Wohnfläche. Insgesamt, so Klemann, seien 35 Prozent der 359.000 Sozialwohnungen von Fehlbelegern bewohnt.

Die neue Regelung wird ab Januar zunächst für die 139.000 Mieter gelten, deren Sozialwohnungen in den Jahren 1963 bis 1976 gebaut wurden. Selbst der Mietspiegel, dessen Mittelwert die Miete plus Fehlbelegungsabgabe bisher nicht überschreiten durfte, verliert dann seine Gültigkeit. Künftig dürfen die monatlichen Zahlungen den Mietspiegelwert bis zu 15 Prozent überschreiten.

Nicht nur die Wohnungsbaugesellschaften, auch die Bezirke sorgen sich deshalb um die soziale Stabilität in den Sozialsiedlungen, wenn gutverdienende Mieter ausziehen und Sozialhilfeempfänger nachrücken. „Da muß sich unbedingt etwas ändern“, fordert etwa der Neuköllner Bürgermeister Bodo Manegold (CDU). Er befürchtet, daß die Gropiusstadt sonst in fünf oder zehn Jahren „umkippt“. Um eine „Ghettobildung zu verhindern“, hat Manegold deshalb schon dem Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) die Dringlichkeit des Problems deutlich zu machen versucht. Uwe Rada

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen