: Fürs Familienalbum
■ „The Perc's Electric Family“ gab ein verkitschtes Konzert im kleinen Kreis
Eigentlich war das, was „The Perc's Electric Family“ am Donnerstag im Lagerhaus zum besten gaben, kein Konzert. Es handelte sich um eine „öffentliche Probe“, wie Frontmann Tom Redecker alias The Perc kurz vor Schluß anmerkte. Ab Freitag nämlich würde man in Süddeutschland zusammen mit etlichen Ex- und Gerne-Größen des Krautrocks diverse große Hippie-Festivals bespielen: „Wir hatten kaum Zeit, uns vorzubereiten.“
Das war natürlich schwer zu glauben, zumal es ja schon am Tag darauf ernsthaft auf Tour gehen sollte. Außerdem sind beinahe alle Mitglieder der Electric Family alte Hasen, die ihr Handwerk ohne große Vorbereitung beherrschen. Percussionist Dieter Serfas beispielsweise spielte einst bei „Amon Düül“. Des weiteren gehören Mitglieder von „Call Me Names“, „Artwork“, „Guru Guru“ und „Taras Bulba“ zur komplett langhaarigen Electric Family. Familie wurde tatsächlich groß geschrieben: Ein Großteil des spärlichen Publikums rekrutierte sich aus Verwandten und Bekannten der Bandmitglieder, die emsig Bilder fürs Familienalbum knipsten und sich ihre Plätze danach aussuchten, „wo man am besten den Volker sehen“ konnte.
Lange Haare und Schlabberkleidung ließen korrekt vermuten, in welche Richtung es musikalisch gehen würde: Hippie-Romantik mit psychedelischen Eskapaden und einem Hauch von Lagerfeuer.
Den Anfang machte Harry Payuta am unvermeidlichen Didgeridoo. Leider trat er nicht den Beweis an, daß das Didgeridoo irgend etwas anderes sein könnte als ein zeitgeistiger Irrtum. Ähnlich wie in den coolen 80ern keine Musik, die etwas auf sich hielt, ohne das Trend-Instrument Saxophon auskommen wollte, ist es in den New-Age-begeisterten 90ern schwer, am Didgeridoo vorbeizukommen. Der Unterschied: Während KönnerInnen aus einem Saxophon tatsächlich Hörenswertes herausholen können, brummt ein Didgeridoo nur; egal wie man es dreht und wendet.
Am Donnerstag brummte es ziemlich lange, bevor die restlichen Bandmitglieder auf der Bühne eintrudelten und ihrerseits erst mal ziemlich lange ihr jeweiliges Ding durchzogen. Handwerkliches Können konnte man dabei niemandem absprechen, und das Zusammenspiel ergab sich mit der Zeit auch, aber wirkliche Spannung wollte nicht aufkommen. Nach dem eröffnenden Instrumental schaffte Tom Redecker es zu Beginn jedes Stückes, Hoffnungen zu wecken. Wenn er seine Akustikgitarre anschlug und seine angenehm dunkle Onkel-Stimme hören lies, erwartete man sich eine von jenen kleinen Folk-Pop-Perlen, wie sie „The Perc meets the Hidden Gentleman“ dereinst zumindest ab und zu gelungen waren. Jedesmal wurde diese Hoffnung aber zerstört, wenn nach dem ersten Takt die Band einsetzte und die Songs ins Nirgendwo zwischen Alt-Herren-Rock und Ethno-Verklärung dudelten. Textliche Platitüden wie „fields of green“ oder „smoke all the grass“ taten ihr übriges, die musikalische Routine zu verkitschen.
Als schließlich ein „Indianerlied“ angekündigt wurde, hätten die Brüder im Geiste von „Pur“ zugegen sein sollen. Auf ihre Schlagerfrage „Wo sind all die Indianer hin?“ hätten sie Antwort erhalten: Sie standen auf der Lagerhaus-Bühne und sangen „Heyyaheyyaheyyahey!“
Andreas Neuenkirchen
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