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Rassistischer Anschlag vor Aufklärung

■ Nach fünf Wochen, zwei Zeitungsartikeln und einem Fernsehbericht kam die Potsdamer Polizei auf die Idee, bei einer rechten Jugendgruppe die Papiere zu überprüfen. Ein mutmaßlicher Täter in Haft. Opfer querschnittgelähmt

Berlin (taz) – Fünf Wochen hat sich die Staatsanwaltschaft Potsdam Zeit gelassen, um ihre Ermittlungen nach den Tätern zu intensivieren, die Mitte Juni in dem brandenburgischen Dorf Mahlow drei schwarze britische Bauarbeiter überfallen und einen von ihnen schwer verletzt hatten. Gestern nun wurde ein erster Tatverdächtiger vorläufig festgenommen. Der 21jährige Heiko H., so die Staatsanwaltschaft, soll am 16. Juni den Golf gefahren haben, aus dem von einem bisher Unbekannten ein Feldstein in die Seitenscheibe des Autos geworfen wurde, in dem die Briten saßen. Nach dem Steinwurf verlor der Fahrer, der 36jährige Noäl Martin, die Kontrolle über seinen Wagen, überschlug sich mehrmals und prallte gegen einen Baum. Seitdem liegt er auf der Intensivstation eines Berliner Krankenhauses und ist vom Nacken ab gelähmt. Seine beiden Freunde überlebten den Überfall leicht verletzt.

Erst nachdem taz, „Spiegel TV“ und der britische Observer den Fall aufgegriffen hatten, führte die Potsdamer Polizei am Samstag eine Razzia auf dem Bahnhofsvorplatz in Mahlow durch. Sie kontrollierte die Papiere von neun Jugendlichen und nahm am Sonntag morgen Heiko H. zunächst in Gewahrsam. Wegen „mangelnder eindeutiger Identifizierung“, so die Staatsanwaltschaft, mußte der Beschuldigte aber wieder freigelassen werden. Nachdem die beiden Mitfahrer des schwerverletzten Noäl Martin der Polizei mitgeteilt hatten, daß sie Heiko H. in einem Fernsehbeitrag eindeutig als Fahrer des Wagens wiedererkannt hätten, fand gestern eine Gegenüberstellung statt. Die Staatsanwaltschaft prüfte gestern abend die Voraussetzungen für einen Haftbefehl. Vorgeworfen wird dem 21jährigen ein „gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr“.

Seit Jahren ist die Gruppe von Jugendlichen bekannt, die sich regelmäßig auf dem Mahlower Bahnhofsvorplatz trifft und Ausländer angreift. Bereits 1994 gab es mehrere Ermittlungsverfahren gegen sieben Jugendliche wegen Körperverletzung und Sachbeschädigung. Über zwei Jahre hat es gedauert, bis einer von ihnen verurteilt wurde.

Warum die Staatsanwaltschaft erst fünf Wochen nach dem jüngsten Überfall tätig geworden ist, wollte deren Sprecherin gestern nicht kommentieren. Von einem rechtsradikalen Hintergrund geht die Staatsanwaltschaft bisher nicht aus, obwohl Heiko H. zu der dorfbekannten rechten Clique gehört. Nach Angaben der Sprecherin der Staatsanwaltschaft stehe derzeit nicht fest, ob der Steinwurf dazu geführt habe, daß der Fahrer die Kontrolle über seinen Wagen verlor. Deshalb wird gegen Heiko H. bisher nur wegen des Verdachts des gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr ermittelt. Es gebe Hinweise, daß die Briten nach dem Steinwurf „möglicherweise“ die Verfolgung des Golfs aufnehmen wollten und der Fahrer deswegen die Kontrolle verloren habe. Ein unfallanalytisches Gutachten soll Klarheit über die Unfallursache bringen.

Die Potsdamer CDU-Landtagsfraktion kündigte gestern eine Kleine Anfrage an das Innenministerium zur Aufklärung der Fälle rechtsextremer Gewalt im letzten halben Jahr und deren Hintergründen an. Der Überfall in Mahlow und in anderen Orten sei „eine Schande für Brandenburg und die Bundesrepublik Deutschland“. „Brandenburg, das ein Touristikgewerbe aktivieren, das von den Gästen aus aller Welt leben will, muß Gastfreundschaft und Toleranz gegenüber Ausländern an den Tag legen.“ Der SPD-Fraktionssprecher Michael Donnemeyer mahnte zügige Ermittlungen an. Vor allem sollten Zeugen die Zivilcourage aufbringen, zur Polizei zu gehen. Barbara Bollwahn Seite 4

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