: Polizistenmachtpoker
■ Hamburgs Innensenator gerät nach dem Rücktritt Semeraks unter Druck
Hamburg (taz) – Die Entbindung verlief ohne Komplikationen. Kaum hatte Hamburgs Polizeipräsident Arved Semerak (CDU) am Montag nachmittag den Innensenator Hartmuth Wrocklage (SPD) darum gebeten, ihn von seinem Amt zu befreien, da befand er sich auch schon im einstweiligen Ruhestand. Wenig später saß der Senator schon vor versammelter Presse und demonstrierte mit markigen Worten Entschlossenheit: „Ich bin nicht der Hase, der gejagt wird, sondern ich bin der Wolf.“ Er sei der „demokratisch gewählte Senator“, und niemand werde ihm „vorwerfen können, das Primat der Politik nicht durchzusetzen“.
Genau das aber werfen ihm seine Kritiker aus dem Polizeiapparat vor: „Duldet Innensenator Wrocklage überhaupt einen starken Polizeipräsidenten?“ fragte rhetorisch Dieter Langendörfer, Hamburger Landeschef des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK). Langendörfer, der als erfolgreicher Chef der Sonderkommission zum Entführungsfall Reemtsma zum lokalen Mediendarling aufgestiegen ist, hatte am Montag mit seinem Vorwurf der Inkompetenz gegen Wrocklage und Semerak den ersten Stein geworfen. Er traf nur Semerak, nicht den Senator. Deshalb kartete er gestern nach: Wenn Wrocklage die Polizei selbst führen wolle, sei die Funktion des Polizeipräsidenten überflüssig.
Die Deutsche Polizeigewerkschaft Hamburg präsentierte derweil unverzüglich eine „qualifizierte, sachkompetente Führungspersönlichkeit“. Ihr Wuschkandidat: der Leiter des Landeskriminalamtes, Wolfgang Sielaff, der der Polizei schon einmal kommissarisch vorstand und das Amt nach Semeraks Ausscheiden vorübergehend wieder übernommen hat.
Wrocklage erklärte unterdessen, „zügig“ einen neuen Polizeichef suchen zu wollen. Erstmals schloß er dabei nicht aus, daß der Kandidat auch „aus der Hamburger Polizei kommen“ könnte. Ein deutliches Zeichen dafür, so vermuten Beobachter, daß Wrocklage unter erheblichem Druck der konservativen Kräfte in der Hamburger Polizeiführung steht, die gerne einen starken Polizeichef hätten und dafür einen Innensenator, der sich raushält. Daß Wrocklage das nicht mit sich machen lassen will, stellte er gestern nochmals klar. Er habe keine Feinde in der Polizei, da gebe es nur „Menschen, die ich überzeugt habe, und welche, die ich noch überzeugen werde“. Die Widerstände gegen die von ihm eingeführten Neuerungen könne er jedoch verstehen: „Sie resultieren daraus, daß wir viel in Bewegung gesetzt haben.“ Zuviel für manche, wie es scheint. Sven-Michael Veit
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