: Schröder läßt die Ossis von der Leine
■ Die ostdeutschen SPD-Landesverbände sollen selbst entscheiden, ob sie mit der PDS zusammenarbeiten wollen, meint Niedersachsens Ministerpräsident. Seine Ostkollegen lassen sich das nicht zweimal sagen. Die FDP ist empört
Bonn (taz) – Die Sozialdemokraten streiten sich über eine engere Zusammenarbeit zwischen PDS und SPD in Ostdeutschland. Während SPD-Fraktionschef Rudolf Scharping und Bundesgeschäftsführer Franz Müntefering sich bisher stets gegen Koalitionen mit der PDS aussprachen, wandte sich der niedersächsische Ministerpräsident Gerhard Schröder in einem Interview mit der Westdeutschen Zeitung gestern gegen eine Bonner „Bevormundung“ der SPD im Osten. Zwar sei die SPD eine zentral geführte Partei. Jedoch sollte darauf geachtet werden, daß die Landesverbände eigene Entscheidungsmöglichkeiten behielten. Brandenburgs Ministerpräsident Manfred Stolpe bezeichnete die „Dresdner Erklärung“ der SPD, in der diese eine Zusammenarbeit mit der PDS ausschließt, für völlig überholt. SPD-Chef Oskar Lafontaine äußerte sich zu diesen Äußerungen zunächst nicht.
Genau dies warf FDP-Generalsekretär Guido Westerwelle dem SPD-Chef vor. Lafontaine drücke sich um eine Antwort: „Alle reden, einer schweigt.“ Die SPD- Spitze täusche die Öffentlichkeit über die wahren Bündnispläne mit der PDS.
Breite Unterstützung findet Schröders Vorstoß in den SPD-Landesverbänden der neuen Länder. Brandenburgs SPD- Landesgeschäftsführer Klaus Ness sagte der taz, die Frage, ob die SPD mit der PDS koaliere, müsse vor Ort entschieden werden. Es wäre fatal, wenn die Landesverbände „lediglich Filialen der Zentrale sind“. Der parlamentarische Geschäftsführer der SPD in Sachsen-Anhalt, Jens Bullerjahn, meinte: „Die Baracke soll sich zurückhalten.“ Die Bonner müßten einsehen, „daß es Entscheidungen gibt, die nicht ihren Geschmack treffen“. Es sei ärgerlich, wenn den Ostdeutschen von Ferne erklärt werde, wie Politik laufen muß.
Weitgehend Einigkeit gibt es auch darüber, daß die PDS ein konstruktiver Partner sein kann. So sagte Peter Adler, parlamentarischer Geschäftsführer der SPD in Sachsen: „Die PDS ist unser politischer Gegner, aber wir können mit ihm arbeiten.“ Es werde nach Inhalten, nicht nach Absendern entschieden. Vor allem auf kommunaler Ebene gebe es eine „florierende Zusammenarbeit“ zwischen der PDS und anderen Parteien. Anlaß für die Äußerung Schröders war eine Aussage des thüringischen SPD-Vorsitzenden Richard Dewes zu Beginn dieser Woche. Er hatte gefordert, daß die ostdeutschen SPD-Landesverbände sollten eigenständig entscheiden, wie sie mit der PDS umgehen. Er selbst halte eine Zusammenarbeit mit der PDS in Thüringen nach der Landtagswahl 1999 für möglich. Rudolf Scharping hatte darauf entgegnet: „Wir wollen keine Zusammenarbeit, keine Koalition mit der PDS. Und dabei bleibt es.“ Franz Müntefering nannte Bündnisse mit der PDS „nicht akzeptabel“.
Die PDS bezeichnete unterdessen Diskussionen in der SPD über Bündnisse zwischen den beiden Parteien als überflüssig. „Die Bedingungen für ein solches Zusammengehen bestehen nicht“, sagte PDS- Vorstandsmitglied André Brie. Markus Franz
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