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It's a dyke's world

Indina Beuche hat 20.000 Besucherinnen in einem halben Jahr: Manche hinterlassen kleine Notizen und manche keine Spur  ■ Von Tina Fritsche

Wenn all' diese Leute plötzlich in der Tür stehen würden... nicht auszudenken! Rund hundert am Tag schauen mal rein – 20.000 im vergangenen halben Jahr –, gucken sich Fotos an, blättern in Comics oder versuchen einfach nur, einen voyeuristischen Blick aufs lesbische Leben zu erhaschen. Einige legen kleine Notizen ab, manche schreiben ellenlange Briefe, die meisten hinterlassen keine einzige Spur.

Gastgeberin Indina Beuche, 37, bleibt trotz Andrang gelassen, weist Unkundigen den Weg und plaudert bereitwillig über alles, was das Lesbenherz begehrt. Damit ihre kleine Wohnung im Hamburger Univiertel nicht aus den Nähten platzt, hat sie vorgesorgt: Zwar sind ihre Gäste Menschen aus Fleisch und Blut, aber zu Besuch kommen sie nur virtuell – via Internet.

Das Internet, der Zusammenschluß von Millionen Computern, ermöglicht weltweite Kommunikation für all' die, die Zugang zu einem Computer, einem Modem und einem Telefonanschluß haben. Als Indina sich vor rund einem Jahr zum ersten Mal ins Netz einklinkte, habe sie „diese gewisse Besessenheit“ gepackt, erzählt sie. Absolute Anfängerin sei sie gewesen und habe sich alles Wichtige direkt aus dem Netz gefischt: „Never ever hab' ich ein Internet-Buch gelesen!“ Mittlerweile zählen ihre 100 Homepages weltumspannend zu den wichtigsten Anlaufstellen für Lesbeninfos. Täglich drei Stunden lang füttert sie ihre Seiten mit News: Computertips für Cyberdykes, Cartoons und Lesbensex, Tratsch und Outing, Co-Mutterschaft und Heiratswunsch, afrikanische Frauenkultur, lesbenfreundliche Urlaubsorte... Denkanstöße wolle sie zwar auch geben, so Indina, aber „meine Seiten bieten vor allem Unterhaltung und sind Sprungbrett zum Surfen“.

Der Perfektionismus ihres Webdesigns zeigt sich in kunstvollen Animationen und perfekt gesetzten Links und wurde im Juni mit dem britischen Freedom Award belohnt. Amy Goodloe, die Koryphäe der Cyberdykes, deren Homepages täglich mehrere tausend Zugriffe verzeichnen, widmete Indina Beuche eine eigene Seite. Und die Flut elektronischer Fanpost tut ein übriges, um Indina Beuche in ihrem Engagement zu bestärken. Finanziell hat sie nichts davon, „außer einer hohen Telefonrechnung, aber andere Menschen geben ihr Geld für andere Hobbies aus“, grinst sie.

Daß Indina Beuche weiblich, ledig und über dreißig ist, macht sie zur Ausnahmeerscheinung im (noch) männerdominierten World Wide Web. „Eine breite, explizit lesbische Sichtbarkeit ist politisch – ob im Netz oder im ,echten' Leben“, betont Indina, für die es eh' keine klaren Grenzen zwischen virtuellem und realem Leben gibt. Zwar haben die meisten ihrer Hamburger Freundinnen „nichts mit Computern am Hut“, aber die Verbindung beider Existenzen gelingt ihr trotzdem immer wieder.

Als sie erfuhr, daß eine Belgraderin mangels intaktem PC vom lesbischen Infofluß abgeschnitten war, organisierte sie eine Spendenaktion unter den rund 400 Lesben der Mailingliste Eurosappho. „Sogar aus Japan kam Geld“, und den damit finanzierten Computer übergab die Berliner Künstlerin Katrin Kremmler, deren interaktive Lesben-Cartoons in Indinas Webspace zu sehen sind, persönlich in Belgrad.

„Aus diesem lesbischen Kommunikationspool kann sich alles ergeben: Arbeitskontakte, Freundschaften, Liebesbeziehungen“ – Indina spricht aus Erfahrung, denn ihre Liebste lernte sie durchs Internet kennen. Leibhaftig begegnete sie auch den Eurosappho-Lesben beim diesjährigen lesbischwulen Europride-Festival in Kopenhagen. „Aus Kanada, USA, Europa sind wir zusammengekommen, und es war eine total offene und vertraute Atmosphäre“, erzählt Indina Beuche und fügt verschmitzt hinzu: „Da sag' noch mal eine, die Cyberwelt mache einsam!“

„A Dyke's World“ ist erreichbar über: http://www.qworld.org/DykesWorld/

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