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Erich Priebke war eigentlich ein ganz lieber Mensch

■ Das meint jedenfalls der Anwalt des angeklagten SS-Mannes im Schlußplädoyer

Rom (taz) – Das verschmitzte Gesicht von Verteidiger Velio Di Rezze umspielt ein noch hintergründigeres Lächeln als sonst. Soeben wurde ihm überbracht, daß das Kassationsgericht den von den Nebenklägern im Prozeß um den früheren SS-Mann Erich Priebke eingebrachten Befangenheitsantrag gegen den Vorsitzenden Richter Quistelli abgelehnt hat.

Quistelli wird also den Mittäter bei der Erschießung von 335 Geiseln in den Ardeatinischen Höhlen 1944 aburteilen, obwohl ihm Äußerungen zugunsten des Angeklagten nachgesagt worden sind. Di Rezze jedenfalls fährt in seinem Plädoyer erheblich beflügelt fort – ein Plädoyer, das als rhetorische Meisterleistung nicht weit von den Reden des Oberadvokaten Marcus Tullius Cicero im antiken Rom anzusiedeln ist. Er wolle nicht beginnen, ohne seine Abscheu vor dem Geiselmord auszudrücken, hebt er an: „Ein Verbrechen, wie man es auch dreht und wendet, das durchwegs unschuldige Menschenleben gefordert hat und durch nichts zu entschuldigen ist.“ Wiewohl er damit nur Gemeinplätze ausdrückt – aus seinem Munde tut derlei schon Wirkung. Immerhin verteidigt er einen Mann, der nach Ansicht der Staatsanwaltschaft ohne Not 1944 bei der Auswahl und Ermordung der Geiseln mitgeholfen hat, die wegen eines Partisanenüberfalls auf eine Polizei- Hilfseinheit mit 33 Toten umgebracht wurden.

Doch dann wird die Verteidigungslinie Di Rezzes sichtbar: Priebke sei dabeigewesen, kein Zweifel, auch habe er wohl geschossen, doch die führende Rolle, die ihm die Anklage nachsagt, die habe er überhaupt nicht gespielt – er sei noch sehr jung, ein reiner Befehlsempfänger gewesen. „Daß er der berüchtigten Schwadron ,Odysseus‘ angehört hat, die für zahlreiche Greuel verantwortlich ist, hat die Anklage mit allen Mitteln zu beweisen versucht – gefunden hat sie nicht ein einziges Indiz, nicht eine einzige Spur davon.“ Priebke sei auch kein herzloser, schießwütiger Nazi gewesen – „im Gegenteil, sein Chef Kappler hat ausgesagt, er habe Priebke seinerzeit im Hauptquartier der SS neben den wirklichen Scharfmacher Sturmbannführer Schulz gesetzt, um diesen zu mäßigen.“

Priebke als Wohltäter? Schlau umgeht Di Rezze den Haupt- und Kardinalpunkt der gesamten Angelegenheit. Denn Priebke ist ja gar nicht des Geiselmordes an sich angeklagt, weil Geiselerschießungen als solche bei Partisanenangriffen durch das internationale Kriegsrecht gedeckt sind, bis zu zehn Opfern pro Toten. So hatte es auch Hitler befohlen, nur wurden in den Ardeatinischen Höhlen 335 Geiseln hingerichtet, also als Rache für 33 tote Soldaten fünf zuviel. Das hat dem seinerzeitigen Oberstummbannführer Herbert Kappler, der die Sache durchführte und gleich nach dem Krieg erwischt wurde, lebenslänglich eingebracht. Di Rezze hofft, daß im Verlaufe der Verhandlungen gegen den erst 1994 aus Argentinien ausgelieferten Priebke just um diese Frage genug Konfusion entstanden ist, um „im Zweifel für den Angeklagten“ zu wirken.

Die Anklage hat sich ihrerseits vor allem durch mächtigen Dilettantismus profiliert. Sie hat nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit klären können, wie es überhaupt zu der Überzahl von erschossenen Geiseln kam, und ob Priebke davon vor der Exekution wußte. Das Urteil wird heute oder morgen erwartet. Werner Raith

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