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Outfitkontrollen nun auch in Bremen

■ Wegen der Chaos-Tage am Wochenende gibt es nicht nur in Hannover umfangreiche Vorkontrollen und Platzverweise. Die abgewiesenen Punks werden jetzt in der Hansestadt erwartet - von der Polizei

Hannover/Bremen (taz) – Der Ausnahmezustand für alle Bunthaarigen in Hannover wird vom Verwaltungsgericht der niedersächsischen Landeshauptstadt voll mitgetragen. Die 10. Kammer des Gerichts wies gestern ein Klage von zwei die Punkmode liebenden Bürgern und die eines Hochschuldozenten gegen das polizeiliche Chaos-Tage-Verbot ab.

In der Verbotsverfügung, die sich pauschal gegen „punktypische Verhaltensweisen“ wendet, ist nach Ansicht des Gerichts „inhaltlich hinreichend bestimmt“, welche Verhaltensweisen in der Öffentlichkeit den Chaos-Tagen 96 zuzurechnen seien. Dem Argument der Kläger, durch die Verfügung werde selbst die normale Lebensführung entsprechend gekleideter junger Leute verboten, folgten die Richter nicht. Abgrenzungsschwierigkeiten seien im Einzelfall unvermeidbar.

Nach umfangreichen Frisur- und Outfitkontrollen haben die in großer Zahl präsenten Ordnungskräfte seit Freitag rund 250 Platzverweise gegen Bunthaarige verhängt. Störungen der öffentlichen Ordnung durch Punks sind der Polizei in dieser Zeit allerdings nicht untergekommen. „Es ist alles absolut ruhig“, sagte gestern ein Polizeisprecher.

Auch auf der Fahndungsliste der Bremer Polizei rangieren seit Wochenbeginn die Domestoshose, der bunte Irokesenschnitt und die abgerissene Lederjacke ganz oben. Anlaß: „mögliche sogenannte Chaos-Tage in Bremen“. Deshalb soll auch die ursprünglich als Polizeiverstärkung nach Hannover abgeordnete Hundertschaft jetzt in Bremen bleiben.

Seit die Bremer Polizei Ankündigungen per Internet und Flugblatt offenbar ernst nimmt und abgewiesene Punks aus Hannover am Wochenende in Bremen erwartet, brauchen die Beamten nicht wählerisch sein. Sie dürfen „alle Personen, die erkennbar der ,Punk-Szene‘ zuzuordnen sind“ überprüfen. Wer keinen Bremer Wohnort nachweisen kann, wird bis Sonntag aus der Stadt gewiesen. Wer nicht schnell verschwindet, muß mit Haft rechnen. Seit dem Erlaß wurden in Bremen nach Polizeiangaben über 80 auswärtige Punks aus der Stadt gewiesen.

Während CDU-Innensenator Borttscheller einen TV-Redakteur des Regionalmagazins „Buten und Binnen“ vom Punkverdacht freisprach, weil der Redakteur „schon von der Physiognomie und Brille her nicht dem Punkklischee entspricht“, fühlt sich ein Niedersachse mit Durchschnittshaarschnitt derweil zu Unrecht vom Platzverweis betroffen. Der 29jährige war der Polizei am Montag in Begleitung bunter Punks aufgefallen. Gestern legte er Widerspruch bei Gericht ein. „Die Gefahrenannahme müsse im Einzelfall begründet sein“, argumentiert seine Anwältin. Mit einer Entscheidung wird aber nicht vor Freitag gerechnet. Eva Rohde/Jürgen Voges

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