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Schallendes Gelächter

■ Dagegen sieht Emma Peel reichlich mager aus: Pearl White als "Pauline" und Mary Evans-Wadia als "Fearless Nadia" in der Filmreihe "Women in Action"

Die „Queen of Serials“ soll sie gewesen sein – Pearl White, Heldin von an die 20 Abenteuerepisoden im schwarzweißen Stummfilmformat. Die ab 1913 entstandenen, meist dreiviertelstündigen Geschichten waren die ersten – wenn auch aus heutiger Sicht etwas hausbackenen – Thriller des Kinos, wobei der „thrill“ aus atemberaubenden Verfolgungsjagden, akrobatischen Kletterpartien und ungedoubelten Stunts bestand.

Sie handelt aus Not- wehr, aber schnell

Unter dem Titel „The Perils of Pauline“ spielt White eine reiche Erbin, die sich gegen mancherlei Gefahren (perils) zu bewähren hat: Heiratsschwindler, Erbschleicher und andere Fallensteller, die der betuchten Tugend auflauern. So wird sie abwechselnd zur Rächerin und Detektivin in eigener Sache. Gelegentlich sekundiert von einem edlen Gefährten, einer Art Dauerverlobten durch sämtliche Folgen, handelt sie dabei weniger aus ungebremster tollkühner Abenteuerlust, sondern meist eher aus Notwehr, aber das dafür schnell.

Der Surrealist und Pearl-White- Fan Louis Aragon dazu: „Durch den Film hat die Geschwindigkeit unser Leben betreten. Pearl White handelt nicht, um ihrem Gewissen zu gehorchen, sondern aus Sport.“ Wofür sie als ehemalige Zirkusreiterin und Trapezkünstlerin – ihr Leinwanddebüt gab sie passenderweise in „The Life Of Buffalo Bill“ (1910) – ja auch bestens geeignet war.

Basierend auf einem Fortsetzungsroman im Chicago Herald wurden die frühen Action-Streifen und ihre Heldin sehr schnell erfolgreich beim amerikanischen Publikum und Pearl White ein Star, dessen Ruhm den von Stummfilm-heroinen wie Mary Pickford sogar übertraf. Nicht nur in den Vereinigten Staaten, dessen Filmpublikum schon damals Fortsetzungsserien und Kolportagegeschichten zu bevorzugen schien, wurden die „Perils of Pauline“ ein Begriff.

Im zweiten Teil der kleinen Arsenal-Reihe „Women in Action“ können in dem unterhaltsamen Dokumentarfilm „The Hunterwali Story“ (1993) die zwanzig Jahre später in Indien gedrehten Eskapaden von „Fearless Nadia“ verfolgt werden. Die Leinwandfigur „Nadia“ sowie ihre Darstellerin Mary Evans-Wadia haben noch heute Kultstatus im indischen Kino. Evans-Wadia, selbst als Kind eine Pearl-White-Verehrerin, geht in ihren über 50 Filmen das Genre „kampferprobte Heroine“ entschieden handfester an. Im Gegensatz zu „Pauline“ oft als Beschützerin der Unterdrückten und Rechtlosen am Start, ist ihr Wirken auf Spielfilmlänge zu verfolgen und übersteht auch den Wechsel zum Tonfilm unbeschadet.

Berühmt ist ihr schallendes Gelächter, mit dem sie nicht nur als „Diamond Queen“ (1940) oder „Miss Frontier Mail“ (1936) ihre oft zahlreichen Gegner foppte, sondern das auch am Set zu hören war, wenn ein eigentlich unzumutbarer Stunt im Drehbuch stand – den sie dann doch meist durchführte.

Die Jane Russel des indischen Stuntfilms

Sie habe zur Kunst des indischen Stuntfilms einen ähnlichen hohen Beitrag geleistet wie Jane Russel für die Präsenz von Sex auf der Leinwand, schwärmt ein Filmhistoriker im von Riyad Vinci Wadia produzierten Dokumentarfilm. Gespräche mit Mary Evans-Wadia selbst, ihren damaligen Studiobossen, Schauspielerkollegen und Filmexperten runden den einstündigen Film ab zu einer Würdigung des frühen indischen Tonfilms insgesamt – während „Fearless Nadia“ mit schwarzer Augenmaske und peitschenschwingend von Fechtkampf zu Faustkampf eilt und als elegante Matrone Emma Peel retrospektiv reichlich mager aussehen läßt. Gudrun Holz

„The Perils of Pauline“: am 3. 8. um 21 Uhr (Teil 1) und am 4. 8. um 21 Uhr (Teil 2) — Stummfilme, am Klavier an beiden Tagen: Willy Sommerfeld

„Fearless Nadia – The Hunterwali Story“ (OmU): am 6. 8. um 21 Uhr

„Miss Frontier Mail“ (ind. OF mit engl UT): am 12. 8. um 21 Uhr

Alles im Arsenal-Kino, Welserstraße 25, Schöneberg, Telefon: 2 18 68 48

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