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Wie ein Rembrandt

■ Im Gespräch: Juliane Lorenz, Leiterin der Fassbinder Foundation, zum Benefiz mit Tim Fischer und Rosel Zech

Das komplette filmische Werk Rainer Werner Fassbinders – 44 Filme – soll vom Januar bis März 1997 erstmals vollständig in einer Retrospektive im Museum of Modern Art, New York und danach in 14 weiteren Städten der USA gezeigt werden. Doch zuvor müssen die Filme größtenteils neu untertitelt bzw. neue Negative hergestellt werden. Weil die Nachlaß-Verwaltung, die private gemeinnützige Rainer Werner Fassbinder Foundation in Berlin, die Gesamtkosten von über 1 Million Mark nicht selbst aufbringen kann, sucht sie nun nach Spendern und Sponsoren. Auch das Benefizkonzert am 3. August ab 20 Uhr in der Bremer Schauburg soll dazu beitragen.

Juliane Lorenz (s. Bild unten) ist die Leiterin der Rainer Werner Fassbinder- Foundation. Sie gehörte zum engsten Freundeskreis Fassbinders und zeichnete seit 1976 für alle seine Filme als Cutterin verantwortlich.

taz: Wer gab die Anregung zum Benefiz-Konzert?

Juliane Lorenz: Ich hatte Tim Fischer, mit dem ich befreundet bin, von den finanziellen Problemen erzählt, und er sagte spontan: „Ich mache dafür ein Benefizkonzert“. Ich fragte dann noch meine Freundin Rosel Zech, und so kam eins zum anderen.

Sie schätzen die Gesamtkosten für neue Negative und Untertitelung auf ca. 1 Million DM. Was macht den Löwenanteil der Kosten aus?

Eine Million ist nur eine grobe Schätzung. Es wird sicherlich wesentlich mehr werden. Eines der größten Probleme stellt der vom WDR produzierte Fünfteiler „Acht Stunden sind kein Tag“ dar. Der wurde damals mit Umkehrnegativen produziert, ein Material, das vor allem für tagesaktuelle Berichterstattung verwendet wurde und, wie wir jetzt feststellen mußten, sehr schnell ausbleicht. Alleine die neuen Negative für diese immerhin acht Stunden Film kosten ca. 400.000 DM. Dazu kommen noch die Kosten für die Kopien.

Wieviel Kosten sind bereits durch Industriespenden aufgebracht?

Aus Erfahrung wissen wir, daß wir etwa die Hälfte durch Sponsoren wie Gabriele Henkel und Mercedes-Benz aufbringen werden können.

Als Laie denkt man, die Erträge durch die TV-, Kino- und Videoauswertung der Fassbinderfilme bzw. die Tantiemen aus Theaterinszenierungen müßten selbst größere Summen erwirtschaften ...

Halten Sie es denn für normal, daß ein Regisseur aus seinen eigenen Tantiemen sich für die Erhaltung seines Werkes einsetzen muß? Das ist doch nicht normal, und das gibt es sicherlich nirgendwo anders. Aber wir tun es trotzdem, weil wir uns der Wichtigkeit der Sache sicher sind.

Manchmal habe ich einfach den Eindruck, die Leute verstehen gar nicht, worum es hier eigentlich geht. Schließlich soll hier Kulturgut erhalten werden. Ein Rembrandt muß auch gepflegt und gelegentlich restauriert werden. Diesen Vergleich halte ich übrigens keineswegs für übertrieben. Gerade die Reaktionen des Auslands zeigen doch, welche Bedeutung das Werk Fassbinders immer noch hat. Man setzt sich dort mit dem Werk auseinander, ganz im Gegensatz zu hier.

In den USA muß man den Namen Fassbinder nur aussprechen und Sie laufen in offene Arme.

Wurden bereits öffentliche Mittel zugesagt?

Die Goethe-Institute unterstützen die US-Retrospektive und auch das Außenministerium. Der WDR oder die Bavaria, für die Fassbinder auch produziert hat, sagen, das sei nicht ihre Aufgabe; staatliche Filmförderungseinrichtungen wie die Filmförderanstalt oder das Kuratorium des Jungen Deutschen Films erklären, daß sie gerade ihre Richtlinien geändert haben und solche Unternehmungen nun nicht mehr fördern können. Ich hatte ja letztlich nur gehofft, daß solche Gremien ein Zeichen setzen und z.B. gezielt die Untertitelung eines Filmes übernehmen. Ich bin einfach nur verwundert darüber, daß man dort selbst nicht diesen Mangel innerhalb der Richtlinien erkennt. Schließlich ist Fassbinder einer der bedeutendsten Vertreter des Jungen Deutschen Films.

Was, wenn die Million nicht zusammenkommt?

(Lacht) Dann gehe ich auf die Straße!

Zum Betteln oder Demonstrieren?

Das wird sich dann zeigen. Aber wir sind zuversichtlich.

Fragen: Axel Schock

Benefizkonzert mit Tim Fischer, Rosel Zech und den Brothers Urb ab 20 Uhr in der Schauburg,

Ab 23 Uhr lange Fassbinder-Nacht: „Die Sehnsucht der Veronika Voss“ mit Rosel Zech, „Lola“ mit Hanna Schygulla und „Martha“ mit Margit Carstensen.

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