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■ Nach De Charettes Besuch in Algerien ist nichts besserFrankreich in der algerischen Falle

Der erste Algerienbesuch eines französischen Regierungsmitglieds seit drei Jahren sollte so etwas wie Normalität zwischen den beiden Ländern demonstrieren. Sein tragisches Ende – der Mord des Bischofs von Oran, wenige Stunden, nachdem er den Pariser Außenminister getroffen hatte – beweist jedoch das Gegenteil. Dabei sind beide Regierungen aufeinander angewiesen: die französische, weil in ihrem Land über eine Million algerischer Immigranten leben und weil sie eine Ausdehnung des algerischen Bürgerkriegs auf Frankreich verhindern will. Die algerische, weil sie wirtschaftliche Unterstützung braucht und international diplomatisch isoliert ist.

Frankreich war nie in der Lage, eine klare Algerienpolitik zu definieren. Paris spricht zwar von einem „demokratischen Prozeß“, der stattfinden müsse, verhält sich zu dem Regime in Algier aber je nach Tageslaune. Mitterrand kritisierte den Abbruch der Wahlen im Jahr 1991, als sich abzeichnete, daß die Islamisten sie gewinnen würden, aber die Waffengeschäfte gingen ungehindert weiter. Der Neogaullist Chirac begrüßte im letzten November den Sieg von Liamine Zéroual, mochte sich dennoch nicht mit dem General gemeinsam fotografieren lassen.

Jedesmal, wenn es darauf ankommt, werden die ambivalenten Beziehungen zwischen den beiden Ländern tragisch. So gab es weder bei der Entführung des Air-France-Airbusses 1994 noch bei der der sieben Trappistenmönche eine Zusammenarbeit zwischen französischen und algerischen Behörden. Der zweite starke Akteur in Algerien, die bewaffneten islamistischen Gruppen (GIA), nutzen diese Ambivalenz aus. Sie wollen den totalen Bruch zwischen Paris und Algier und nutzen jede Gelegenheit, um zu zeigen, daß die Militärs das Land nicht kontrollieren.

Zwischen den beiden Fronten im algerischen Bürgerkrieg hat Paris keinen dritten Ansprechpartner gesucht. Im Gegenteil – es hindert die demokratische algerische Opposition sogar noch durch eine schikanöse Asylpolitik an der Flucht nach Frankreich.

Statt dieses Schlingerkurses ist eine klare Algerienpolitik wichtig. Das Land braucht wirtschaftliche Unterstützung. Und es braucht Unterstützung für den Aufbau einer demokratischen Alternative zu Militärs und islamischen Terroristen. Ob Frankreich, das sein historisches Trauma Algerienkrieg bis heute nicht aufgearbeitet hat, dafür der richtige europäische Partner ist, scheint fraglich. Dorothea Hahn

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