: Die Chaos-Tage von Bremen
Während es in Hannover ruhig blieb, kam es in Bremen zu Straßenschlachten zwischen Punks und Polizisten. Die Bilanz: Mehr als 140 Festnahmen. Grüne protestieren gegen „Punker-Hatz“ ■ Von Kerstin Schneider
Die Melodie des Schneewalzers dröhnt über die Bremer Sielwallkreuzung. „Heile Welt“ steht in großen roten Buchstaben auf einem Transparent, das aus einem Fenster hängt. Doch die Idylle trügt: Mehr als 140 Personen verbringen die Nacht an diesem Wochenende in Polizeigewahrsam. Elf werden wegen schweren Landfriedensbruchs verhaftet. Während in Hannover die Chaos-Tage ausfielen, lieferten sich in Bremen Polizei und Autonome am Wochenende Straßenschlachten.
Nach Angaben der Polizei hatten Jugendliche in der Nacht von Freitag auf Samstag einen Molotowcocktail, Steine und Flaschen geworfen und ein Auto angezündet. 74 Personen verbrachten die Nacht daraufhin im Polizeigewahrsam. Ein Passant wurde von einem Polizeiwagen angefahren. Sechs wurden wegen Landfriedensbruchs festgenommen. Die Bremer Polizei forderte daraufhin Verstärkung an. Die meisten Punks wurden schon am Hauptbahnhof abgefangen und wieder in den Zug gesetzt. Mehr als fünfhundert Menschen erteilte die Polizei einen Platzverweis. Fast schien es, als würde die Nacht zum Sonntag ruhiger verlaufen.
Schaulustige und einige Hundertschaften von Polizisten säumten in dieser Nacht die Straßen von Bremen. Vom Blitzlichtgewitter der Journalisten begleitet, versuchten zwei Punks, eine Polizistin zu umarmen. Die ersten Bierdosen flogen. Dann rückten plötzlich Jugendliche eine Mülltonne mitten auf die Kreuzung und zündeten sie an. Sofort wurde die Kreuzung von allen vier Seiten eingekesselt. Wahllos führte die Polizei Leute ab. Ein etwa Fünfzehnjähriger in Jeans, T-Shirt und Turnschuhen, der die Schlacht von einer Straßenecke aus beobachtete, schüttelte den Kopf: „Das kann doch nicht wahr sein!“ Wenig später wird er von zwei Beamten abgeführt. Auf die Frage: „Was habe ich denn verbrochen?“ wird ihm nicht geantwortet.
Insgesamt nahm die Polizei in dieser Nacht noch einmal siebzig Leute in Gewahrsam. Gegen fünf wird noch wegen Landfriedensbruchs ermittelt. Vier Polizisten wurden verletzt. Über die Verletzten auf seiten der Autonomen gibt es nach Auskunft der Polizeipressestelle keine genauen Angaben.
Fest steht jedoch, daß zumindest eine junge Dänin Opfer der Polizeimaßnahmen wurde. Die 17jährige Signe Skriver-Korsgara aus Kopenhagen wurde von einem Polizeihund in die Schulter gebissen. Sie mußte im Krankenhaus stationär behandelt werden. Die Beamten hatten den Hund auf eine Gruppe von Jugendlichen gehetzt, die einen Bauzaun quer über eine Straße gestellt hatten. Obwohl die Dänin nach Zeugenaussagen nur eine unbeteiligte Passantin war, wurde sie vorläufig festgenommen. In Gewahrsam nahm die Polizei auch ihren Freund, einen dänischen Journalisten. Inzwischen sind alle Inhaftierten wieder auf freiem Fuß.
Die Grünen haben inzwischen gegen die „unverhältnismäßigen“ Polizeimaßnahmen protestiert. „Das war eine regelrechte Punker- Hatz!“ schimpft Hucky Heck, Landesvorstandssprecher der Grünen. Die Jugendlichen hätten die Nacht in einer ehemaligen Garagenanlage ohne Sitzgelegenheiten und auf nacktem Betonfußboden verbringen müssen. Innensenator Ralf Borttscheller (CDU) habe damit „elementare Freiheits- und Bürgerrechte“ verletzt, meint Heck.
„Jeder Gewalttäter weiß, daß eine Belegung von Dreisternehotels nach dem Bremischen Polizeigesetz nicht vorgesehen ist“, entgegnete hingegen Borttscheller. Er feierte den Einsatz von gestern als Erfolg. „Die Bremer Bürger haben allen Anlaß, auf ihre Polizei stolz zu sein“, sagte er weiter. Dem grünen Landesvorsitzenden Heck empfahl er, in Zukunft „mäßigend auf seine Freunde in der Punker- und in der autonomen Szene einzuwirken“.
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