: Schaufenster bei der Punker-Freundin eingeworfen
Almut Daasch, 53, ist die Besitzerin des Bekleidungsgeschäftes „Rehme“ am Sielwalleck. Ihr Laden ist fast immer betroffen, wenn es im Viertel heiß hergeht. So auch dieses Mal bei den „Chaos-Tagen“ in Bremen. Eine Schaufensterscheibe ging zu Bruch – die einzige im ganzen Viertel. Frau Daasch ist zwar frustriert, daß es immer sie trifft, doch sie hält zu „ihren“ Punks und Junks. „Ich weiß, daß das nicht gegen mich gerichtet war. Einer von denen, die hier immer sitzen, hat mich getröstet und fand es auch unfair.“
Den Laden an der Ecke gibt es seit 80 Jahren, Frau Daasch ist seit 30 Jahren dabei. Sie kennt alles und alle im Viertel. Durch ihre praktische und hilfsbereite Art sind viele Dinge in Bewegung gesetzt worden, so zum Beispiel die städtische Mülltonne, die vor dem Hauseingang Sielwall 2a steht. „Irgendwo muß der Dreck hin“. Seit dreieinhalb Jahren findet die Heilsarmee jeden Samstag ihren Platz vor diesem Hauseingang, der ansonsten zu jeder Tageszeit als Treffpunkt der Punks, Junks und Rollogenießern dient. Die Heilsarmee speist dort Hungrige mit Suppe, Kaffee, Keksen und frommen Liedern.
Frau Daasch gibt zwar kein Geld, aber Direkthilfe wie Kaffee, Brötchen, Pflaster bei blutigen Nasen oder einfach Ausruhen auf der schattigen Treppe ist schon drin. „Krankenwagen wollen die nicht, das ist erst einmal vorgekommen“, weiß sie.
Ihr guter Kontakt zu den Menschen auf der Straße ist vielen Nachbarn ein Dorn im Auge, sie zäunen sich lieber ein und verklagen Frau Daasch wegen ihrer Mülltonne.
Auf die Frage, wie sie die Polizei sieht, reagiert Frau Daasch mit mildem Bedauern. „Viele Polizisten gehen wirklich nach dem Äußeren, der Punk ist gewaltbereit und der nette Umlandbremer kann keiner Fliege was tun. Die von außerhalb kommen und hier am Wochenende die Sau rauslassen und an die Wände pissen, die regen mich auf!“
Zehn Prozent weniger Umsatz muß Daasch wegen des Umfelds verbuchen. Sie glaubt auch, daß einige Kunden wegbleiben, weil sie die Leute verteidigt, „aber viele verstehen die Punks auch besser, wenn ich ihnen das aus meiner Sicht erzähle“.
Frau Daasch möchte auf keinen Fall jetzt als Mutter vom Sielwall gelten. „Ich bin kein Muttertyp“, lacht sie und wird rot.
kg / Foto: Katja Heddinga
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