: Borttschellers Basis
■ Heimspiel für den Innensenator am CDU-Stammtisch in Schwachhausen: „Bei Platzverweis geht man nach Hause“
Sich vor laufenden Kameras mit „irgendwelchen linken Anwälten“ zu streiten, dazu hatte Ralf Borttscheller keine Lust. Buten & Binnen mußte am Montag abend nach dem „Chaos“-Wochenende auf den Innensenator verzichten. Der CDU-Garant für Recht und Ordnung bevorzugte ein Heimspiel in Fritze Feldmanns Kneipe in Schwachhausen, beim Stammtisch der örtlichen CDU. Thema: Innere Sicherheit. „Man muß die Basis pflegen“.
„Wir machen hier CDU-Innenpolitik reinsten Wassers“, frohlockt der in seiner ehemaligen Stamm-Gaststätte als Triumphator begrüßte Senator, und „die Sozis fallen uns nicht in den Arm“. Sogar Bürgermeister Henning Scherf (SPD) habe sich angetan gezeigt vom konsequenten Durchgreifen gegen die Punks. Die Kritiker, die die Zustände im Polizeigewahrsam beklagten, lieferten ihm „immer wieder Maßvorlagen“, seine Politik öffentlichkeitswirksam zu verteidigen. „Wenn heute das Ostertor in Schutt und Asche läge, hätten sich dieselben Leute beschwert“.
Mit seiner Strategie treffe er die Stimmungslage von 80 Prozent der Bevölkerung, sagt Borttscheller und erntet zustimmendes Nicken der Stammtischler, darunter ältere Damen von der Basis und engagierte StadtteilpolitikerInnen. „Die Leute finden es doch erfrischend, daß einer eine klare Linie fährt“.
Dennoch: Auf üble Stammtischparolen wartet man bei „Feldmann“ vergeblich. In Schwachhausen hat der Stammtisch sogar eine Tischdecke. „Unser Spektrum reicht von rechts bis liberal“, sagt Monika Harms, Jugendfreundin des „lieben Ralf“, CDU-Abgeordnete und Organisatorin des politischen Bürgertreffs.
Tatsächlich erhebt sich eine zaghafte Stimme, die die massenhaften Platzverweise („nur weil die bunte Haare haben“) und die Zustände im Polizeigewahrsam für eine Verletzung von Grundrechten hält.
Borttscheller bleibt cool: Jeder könne sich ja „besaufen, wo er will“, aber es sei doch naiv zu glauben, Punks reisten aus Straubing oder Leipzig an, „weil es in Bremen so schön ist“. Kichern in Feldmanns Hinterzimmer. Ja, die Polizei sei von der Masse der Festzusetzenden überrascht worden, räumt der Senator ein. 70 Leute fotografieren und Personalien aufnehmen, „das dauert“. Und einen ordentlichen Gewahrsam („Zellen ganz aus Beton, nicht zu demolieren“) wird es erst im neuen Polizeipräsidium geben. Aber ob die Punks auf dem Bürgersteig am Sielwall oder in der Kasernen-Garage lägen, sei doch egal. Gelächter. Die Betroffenen hätten die Nacht auf dem Betonfußboden vermeiden können: „Bei einem Platzverweis geht man eben nach Hause“, sagt Borttscheller. Nicken in der Runde, der Liberale schweigt betreten.
Von einem übertriebenen Polizeieinsatz zu sprechen, sei absurd. 758 Bremer Polizisten, eine Hundertschaft aus Schleswig-Holstein und ein paar Bundesgrenzschutz-Leute. „Die Polizei hat ein ureigenstes Interesse daran, keine überdimensionierte Streitmacht aufzubieten“. Für eine auswärtige Hundertschaft müßten 60.000 Mark an das Entsende-Land oder den Bund überwiesen werden. Entsetzen am Stammtisch. Dennoch bekomme die Polizei von ihm genau soviele Leute, wie es ihr Einsatzkonzept vorsehe. Geld spiele dabei „letztlich keine Rolle“. Erleichterung. Zum Teil seien die Kosten aus Polizeimitteln bestritten worden. Beim letzten Einsatz zum Castor-Transport nach Gorleben hatten ausgeliehende Bremer Ordnungshüter Geld nach Hause gebracht.
Die Vorwürfe wegen angeblicher Übergriffe der Polizei seien zu prüfen und die Ermittlungen der Staatsanwälte abzuwarten. Nicken, wir sind ein Rechtsstaat. „Natürlich gibt es Situationen, in denen Leute schon mal objektiv massiv Prügel beziehen“, sagt der Senator unbekümmert. Lachen im Rund. Anzeigen gebe es danach aber so gut wie nie. „Die Störer hüten sich, nachher auch noch zur Polizei zu rennen“.
Bei der Randale seien die Punks „exotische Außenseiter“ gewesen unter den „üblichen autonomen Krawallmachern“ gewesen, die „die Staatsorgane vorführen wollten“. Nicken im Rund - man hat es in der Zeitung gelesen.
Nach zwei Stunden und drei Beck's ist Borttschellers Monolog zum Thema Innere Sicherheit zu Ende. Vor der Ankunft des Senators hatte sich ein älterer CDU-Mann noch nach den Möglichkeiten erkundigt, aus dem Stammtisch Kritik und Anregungen in die Politik einzuspeisen. CDU-Flaggschiff Borttscheller aber bekam in Schwachhausen nur warme Worte des Dankes und ein „Weiter so“ mit auf den Weg. Joachim Fahrun
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