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„Das Thema wurde verdrängt“

■ Der Staat hätte für die Pensionen längst Geld zurücklegen müssen, meint Rheinland-Pfalz' Rechnungshofsvize Günter Kahlberg

taz: Herr Kahlberg, wissen die Rechnungshöfe, daß die Pensionen die Staatshaushalte in erheblichem Ausmaß belasten?

Günter Kahlberg: Ja, mehrere Landesrechnungshöfe haben die Pensionen untersucht. Wir haben dabei festgestellt, daß die Zahl der Pensionäre zu Anfang des neuen Jahrtausends stark steigen wird. Das bringt eine hohe finanzielle Belastung für Bund, Länder und Gemeinden – vor allem für die Länder, weil das Gros der Staatsdiener dort beschäftigt ist.

Woher kommt der Zuwachs?

Das hat mit der Ausweitung des öffentlichen Dienstes in den 70ern zu tun. Das Problem verschärft sich aber erheblich, weil ein hoher Prozentsatz von Beamten vorzeitig in den Ruhestand geht. Bei Lehrern sind das weit über 40 Prozent, im Justizvollzug gehen sogar 68 Prozent der Beamten vorzeitig in Ruhestand. Berühmtestes Beispiel war in Rheinland-Pfalz ein 37jähriger Polizeiobermeister, der sich am Finger verletzt hatte und keine Waffe mehr halten konnte.

Was haben die Rechnungshöfe unternommen?

Wir haben den Regierungen die Zahlen an die Hand gegeben, damit die selbst ihre Schlußfolgerungen ziehen können. Rheinland- Pfalz etwa wird für alle neuen Beamten, die ab 1.10. 1996 ihren Dienst beginnen, Geld zurücklegen. Außerdem hat das Land das Landesbeamtenrecht so geändert, daß frühzeitige Pensionierungen nicht mehr so leicht möglich sind. Auch Schleswig-Holstein hat jetzt reagiert und bildet Rückstellungen.

Das sind aber doch nur kleine Veränderungen, die das grundsätzliche Problem nicht aus der Welt schaffen: das Beamtenrecht und seine sogenannten hergebrachten Grundsätze. Muß nicht das Beamtenrecht generalüberholt oder abgeschafft werden?

Manche sind da ganz schnell und wollen die Beamten abschaffen. Aber damit verlagert man das Pensionsproblem nur von der einen in die nächste Kasse, die Rentenkasse nämlich.

Dann würden sich die Beamten wenigstens an ihrer Altersversorgung beteiligen?

Der Beamte beteiligt sich auch jetzt schon, indem er weniger verdient als ein Angestellter.

Was kann man denn nun tun, damit der Staat Anfang des Jahrtausends nicht wegen der Pensionen pleite geht?

Das ist nicht so einfach. Der Staat hat das Thema lange nicht beachtet. Erstens hat er zu viele Beamte eingestellt. Pausenlos hat der Staat die Stellenpläne ausgeweitet – und dabei verdrängt, daß man die Beamten mit Ruhestandsbezügen ja lange versorgen muß. Zweitens hätte man, wie jeder vernünftige Mensch, schon lange daran denken müssen, Rückstellungen für die Pensionen zu bilden. Jetzt ist es eigentlich schon ein bißchen zu spät.

Wann muß der Staat denn Kredite aufnehmen, um seine Pensionäre zu bezahlen?

Ich hoffe, nicht solange ich lebe. Ich bin selbst Beamter. Interview: Christian Füller

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